Full text: Bd. 2, Die Heroen (Die griechische Heldensage), Buch 3, Die großen Heldenepen, Abt. 2, Hälfte 2, Der Troische Kreis , Die Nosten (02030202)

ORESTES. 
1333 
seiner Schwester in Aulis gedenkt. 1 ) Nach einer späteren 
Sage erkennt ihn Iphigeueia an der elfenbeinernen Schulter, 
die er von seinem Ahnherrn Pelops geerbt hat. 1 2 ) Eine jüngere 
dramatische Behandlung scheint durch ein Yasenbild bezeugt 
zu werden, auf dem Orestes der Iphigeneia nicht gefangen 
vorgeführt wird, sondern als Schutzflehender auf dem Altar 
vor ihr sitzt (Mon. d. Inst. II 43). In der Kaiserzeit wurde 
die Geschichte auch als Pantomimos dargestellt (Luk. de salt. 46). 
Ob, wie Lukian (Toxar. 1. 7) behauptet, Orestes und Pylades 
wirklich in späterer Zeit bei den Skythen unter dem Kamen 
Kooaxoi, der „freundliche Dämonen“ bedeuten soll, göttliche 
Ehren genossen und sogar einen Tempel besaßen, muß dahin 
gestellt bleiben. Nichts aber ist für den Einfluß des Euri- 
pideischen Dramas bedeutsamer, als daß man an vielen Orten 
Brauron den Ruhm, das taurische Idol zu besitzen, streitig 
machte und das eigene Artemisbild für das von Orestes ent 
führte erklärte. Am merkwürdigsten ist, daß das sogar in 
Sparta mit dem ehrwürdigen Idol der Artemis Orthia geschah, 
das die alte Legende in den Sümpfen von Limnai entdeckt 
werden ließ (Bd. I S. 308). In der Kaiserzeit hingegen behauptete 
man, Orestes, der ja König von Sparta gewesen sei, habe das 
aus dem Skythenland geraubte Bild dorthin und nicht nach 
Brauron gebracht. 3 ) Dasselbe glaubten aber auch die Lyder von 
ihrer Anaitis (Bd. I S. 333 A. 1), die Kappadokier in Koraana 
von ihrer Ma 4 ), die in Kastabala von ihrer Artemis Perasia. 5 ) 
1) Danach das Libretto von Glucks Iphigenie. Bei Job. Antiocheu. fr. 26 
(FHG. IV 551) wissen Orestes und Pylades, daß Iphigeneia bei den Skythen ist, 
und fragen, ob sie noch lebt. 
2) Nonnos bei Westermann Myth. gr. p. 386f. LXXV. Das ist dem Mutter 
mal der thebanisohen Sparten naohgebildet. 
3) Paus. III 16, 7; vgl. Serv. ampl. Aeu. II 116. S. Robert Arch. Märch. 
148f. Anders urteilen Zielinsld a. a. 0. 166 A. 2, 17211. und Radermacher 
Das Jenseits im Mythos der Hellenen 1903, 6611.; Serv. Aen. II 116 (dar. Hyg. 
fab. 261; Myth. Vat. II 202) läßt das Bild auf dem Umweg über Arioia dorthin 
gelangen, s. unten S. 1334 A. 5. 
4) Paus. III 16, 8; Strab. XII 535; Dio Cass. XXXVI 11 (13), nach dem es 
■dort auch ein Priestergeschlecht gab, das sich von Agamemnon ableitete. Et. Magn. 
526, 32, wo der Name der Stadt davon abgeleitet wird, daß sich Orestes hier 
sein Haar {xö/xrj) geschoren habe, vgl. die Legende von Megalopolis oben S.1319. 
Nach Prokop bell. Pers. I 17, 13ff., bell. Goth. IV 5,24 hatten Orest und Iphigeneia 
das Bild zuerst nach dem pontisohen Komana gebracht, das aber der für die 
Heilung des Orestes gestellten Bedingung, der neue Kultplatz müsse dem 
früheren so ähnlich wie möglich sein, nicht gerecht wurde. An beiden Stellen 
■wurde das Opfermesser der Iphigeneia als Reliquie gezeigt. 
5) Paus. a. a. 0. Strab. XII 637 (dan. Steph. Byz. v. KaardßaXa), der 
den Beinamen davon herleitet, daß das Bild von jenseits des Wassers dorthin 
gebracht worden sei, und weiter berichtet, die Priesterinnen könnten mit nackten
	        
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