ORESTES.
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seiner Schwester in Aulis gedenkt. 1 ) Nach einer späteren
Sage erkennt ihn Iphigeueia an der elfenbeinernen Schulter,
die er von seinem Ahnherrn Pelops geerbt hat. 1 2 ) Eine jüngere
dramatische Behandlung scheint durch ein Yasenbild bezeugt
zu werden, auf dem Orestes der Iphigeneia nicht gefangen
vorgeführt wird, sondern als Schutzflehender auf dem Altar
vor ihr sitzt (Mon. d. Inst. II 43). In der Kaiserzeit wurde
die Geschichte auch als Pantomimos dargestellt (Luk. de salt. 46).
Ob, wie Lukian (Toxar. 1. 7) behauptet, Orestes und Pylades
wirklich in späterer Zeit bei den Skythen unter dem Kamen
Kooaxoi, der „freundliche Dämonen“ bedeuten soll, göttliche
Ehren genossen und sogar einen Tempel besaßen, muß dahin
gestellt bleiben. Nichts aber ist für den Einfluß des Euri-
pideischen Dramas bedeutsamer, als daß man an vielen Orten
Brauron den Ruhm, das taurische Idol zu besitzen, streitig
machte und das eigene Artemisbild für das von Orestes ent
führte erklärte. Am merkwürdigsten ist, daß das sogar in
Sparta mit dem ehrwürdigen Idol der Artemis Orthia geschah,
das die alte Legende in den Sümpfen von Limnai entdeckt
werden ließ (Bd. I S. 308). In der Kaiserzeit hingegen behauptete
man, Orestes, der ja König von Sparta gewesen sei, habe das
aus dem Skythenland geraubte Bild dorthin und nicht nach
Brauron gebracht. 3 ) Dasselbe glaubten aber auch die Lyder von
ihrer Anaitis (Bd. I S. 333 A. 1), die Kappadokier in Koraana
von ihrer Ma 4 ), die in Kastabala von ihrer Artemis Perasia. 5 )
1) Danach das Libretto von Glucks Iphigenie. Bei Job. Antiocheu. fr. 26
(FHG. IV 551) wissen Orestes und Pylades, daß Iphigeneia bei den Skythen ist,
und fragen, ob sie noch lebt.
2) Nonnos bei Westermann Myth. gr. p. 386f. LXXV. Das ist dem Mutter
mal der thebanisohen Sparten naohgebildet.
3) Paus. III 16, 7; vgl. Serv. ampl. Aeu. II 116. S. Robert Arch. Märch.
148f. Anders urteilen Zielinsld a. a. 0. 166 A. 2, 17211. und Radermacher
Das Jenseits im Mythos der Hellenen 1903, 6611.; Serv. Aen. II 116 (dar. Hyg.
fab. 261; Myth. Vat. II 202) läßt das Bild auf dem Umweg über Arioia dorthin
gelangen, s. unten S. 1334 A. 5.
4) Paus. III 16, 8; Strab. XII 535; Dio Cass. XXXVI 11 (13), nach dem es
■dort auch ein Priestergeschlecht gab, das sich von Agamemnon ableitete. Et. Magn.
526, 32, wo der Name der Stadt davon abgeleitet wird, daß sich Orestes hier
sein Haar {xö/xrj) geschoren habe, vgl. die Legende von Megalopolis oben S.1319.
Nach Prokop bell. Pers. I 17, 13ff., bell. Goth. IV 5,24 hatten Orest und Iphigeneia
das Bild zuerst nach dem pontisohen Komana gebracht, das aber der für die
Heilung des Orestes gestellten Bedingung, der neue Kultplatz müsse dem
früheren so ähnlich wie möglich sein, nicht gerecht wurde. An beiden Stellen
■wurde das Opfermesser der Iphigeneia als Reliquie gezeigt.
5) Paus. a. a. 0. Strab. XII 637 (dan. Steph. Byz. v. KaardßaXa), der
den Beinamen davon herleitet, daß das Bild von jenseits des Wassers dorthin
gebracht worden sei, und weiter berichtet, die Priesterinnen könnten mit nackten