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HELDENEPEN: DER IRDISCHE KREIS.
und dort die Stadt ’Agyog ’OgeaxiKov gegründet haben. 1 ) Da
mals soll er auch das thrakische Oreste gegründet haben,
nachdem er sich einem Orakelsprnch gemäß im Hebros ge
badet hatte. 1 2 )
Außer jener jüngeren Ohrysestragödie knüpfte auch ein
zweites Drama des 4. Jahrh. an die taurische Iphigeneia des
Euripides an. Der Schauplatz ist Delphoi. Einem der Gefährten
des Orestes ist es gelungen, in dem Moment zu entkommen,
als Orestes am Altar stand und Iphigeneia an ihm die Locken-
weihe zu vollziehen im Begriff war. 3 ) Br glaubt also, daß sein
Herr umgekommen sei, und bringt diese Meldung nachMykenai.
Elektra durch diese Botschaft, wie Iphigeneia bei Euripides
durch ihr Traumgesioht, der letzten Hoffnung beraubt, eilt
nach Delphoi, um sich von Apollon über das Schicksal ihres
Bruders Gewißheit zu holen. An demselben Tage sind dort
Orestes und Iphigeneia eingetroffen, nachdem sie das entführte
Bild in Brauron gelassen haben. Während nun Orestes im
Innern des Tempels weilt, erkennt jener Bote, der Elektra
nach Delphoi begleitet hat, in der draußen harrenden Iphigeneia
die taurische Priesterin, die, wie er glaubt, den Orestes geopfert
hat, und zeigt sie der Elektra. Diese, außer sich, reißt einen
Eeuerbrand vom Altar, um ihn der vermeintlichen Mörderin
ihres Bruders in die Augen zu stoßen. In diesem Augenblick
tritt Orestes aus dem Tempel, entreißt ihr den Feuerbrand
und stellt ihr Iphigeneia als ihre wiedergefundene Schwester
vor. Diese Handlung, die eine in sieh vollkommen abgeschlos
sene Tragödie ergibt 4 ), wird von Hygin (fab. 122, vgl. 124)
mit einer anderen verquickt, in deren Mittelpunkt ein nur in
diesem Zusammenhang genannter Sohn des Aigisthos und
der Klytaimestra, Aletes, steht und deren Schauplatz Mykenai
ist. 5 ) Auf die Botschaft hin, daß Orestes bei den Skythen
1) Strab. VII 326; Eustath. Dionys. Perieg. 680; Steph. Byz. v. ’Agyog.
Andere leiteten den Namen der ’Ogeoxai von einem gleichnamigen Sohn des
Orestes her, den ihm Hermione geboren haben sollte, Theagenes bei Steph. Byz.
v. ’Opeo'rat, Martian. Capella VI 655, Solin 9, 4, nach dem Hermione den Orestes
auf seiner Flucht begleitet.
2) Ael. Lamprid. Heliogab. 7, vgl. das Bad bei Rhegion oben S. 1335.
3) Vgl. Acc. Erigone fr. VI 54f. R. sed ubi ad finem ventum est quo illum
fors expectabat loco, adque Orestem gravis sacerdos ferro prompto adstituerat ....
4) Goethe wollte bekanntlich den Stoff in seiner nicht über den Entwurf
hinaus gediehenen ,,Iphigenie in Delphi“ behandeln, Ital. Reise, Bologna, den
19. October 1786 (W. A. XXX 167f.).
5) Welcher Griech. Trag. I 216. „Hierin liegen, nach Sophokleischem
Zuschnitte, zwei Tragödien, eine Delphische Iphigenia (— deren Plan einst
Goethe ausbildete, vielleicht die Agamemnoniden des Attius —) und des
Orestes Sieg über Aletes in Mykenae, indem er sich in den Besitz seines väter
lichen Erbes setzt“; vgl. III 1198. Anders Ribbeck Röm. Trag. 469ff.