Full text: Liebesbeziehungen und deren Störungen

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nur einen Partner suchen, vor dessen Überlegenheit sie sicher zu 
sein glauben, der sich immer unterzuordnen scheint. 6s handelt 
sich hierbei keineswegs blos; um wertlose Ehrgeizlinge, sondern 
die Besessenheit von diesem Streben nach Macht ist in unserer 
Kultur ein allgemein vorherrschender Zug, dessen ungemessenen 
Schaden für die Entwicklung der ganzen Menschheit die 
Forschung der Individualptychologie in seinen beiläufigen 
Grenzen aufgezeigt bat. ttlollte man zum Beispiel das 
Liebesleben Goethes in dieser Rötung überprüfen, so würde 
man mit Staunen auf die außerordentliche Unsicherheit stoßen, 
in die dieser ehrgeizige Mann in seinen Liebesfragen ge 
raten ist. 
Mir können so jene Merkwürdigkeiten verstehen, die uns 
öfters im Leben begegnen, daß Menschen in ihrer Liebeswahl 
in ein viel tieferes und ungeeignetes soziales Milieu hinab 
steigen. Man findet es zum Beispiel nicht zu selten an, daß 
ein Mann, der sich nur mit den höchsten Stagen der Mensch 
heit beschäftigt, die Mitwelt damit überrascht, daß er etwa 
seine Köchin heiratet. Mir, die wir die Gleichwertigkeit der 
Menschen so sehr betonen, sind darüber nicht etwa entrüstet, 
aber wir sehen hier ein aus der Art fallendes Uerbalten und 
wollen es vom Standpunkte des Rändelnden verstehen 
lernen, indem wir seine Endabsicht erforschen. Uns schwebt 
als Norm vor, daß sich Menschen finden, die sozial und kraft 
ihrer Uorbildung und Lebensvorbereitung mehr zu einander 
passen. Sehen wir uns die Liebeswerber an, die eine Mahl 
getroffen haben, welche von der allgemein erwarteten ab 
weicht, so finden wir in den meisten Sällen Menschen, die 
dem Liebesproblem außerordentlich zaghaft und mit Uor- 
urteilen gegenüberstehen, vor dem geschlechtlichen Partner 
Surcbt empfinden und deshalb einen Partner suchen, bei dem 
sie weniger Macht und Kraft vermuten. Es ist wohl möglich, 
daß jemand aus dem Gefühl von Stärke von der beiläufigen 
Norm abweicht. Mir sehen aber in den meisten Sällen, daß 
es aus Schwäche geschieht. 
Somit scheint eine solche Mahl manchen vorsichtigen 
Daturen ein außerordentlich glücklicher Griff zu sein, wenn
	        
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