Full text: Geistige Freiheit, persönliche Freiheit

Aber nachdem es nun einmal geschehen ist, will ich Ihnen von 
Herzen dafür danken, daß Sie an diesem selten schönen Sommer 
sonntagmorgen doch hierhergekommen sind, um Ihre Stimme zu er 
heben. Wie selten eine Stadt und selten ein Volk in der Geschichte, 
befindet sich Berlin heute in der Not, und wenn man mir den Vor 
wurf macht, daß ich den richtigen Weg nicht fände, um dieser Not 
entgegenzutreten, so darf ich Ihnen sagen: Alles, was in der letzten 
Zeit geschah, auch meine Reisen nach dem Westen, hatte nur den 
Zweck, die Berliner Bevölkerung aus dieser schweren Lage heraus 
zubringen (Lebhafter Beitall). 
Ich bin mir dabei bewußt, daß ich nicht einseitig diesen Weg suchen 
darf, und ich habe in einer Pressekonferenz zu Beginn dieser Woche 
wahrheitsgemäß gesagt: Lädt mich der Osten zu dem gleichen Zweck 
ein, so bin ich bereit, zu kommen (Erneuter Beitall). 
Dabei darf man aber nicht Reden in öffentlichen Versammlungen 
als Einladung betrachten, in denen dem Magistrat oft in einer Weise 
Vorwürfe gemacht werden, die wir allerdings nicht einfach hinneh 
men können. Der Westen lädt ein, und wenn der Osten einlädt, so 
bin ich zu jeder Verhandlung bereit; denn ich weiß: ganz Berlin 
hat mich auf meinen Platz gestellt. Ich bin nicht dafür da, einer 
Partei zu dienen, sondern; ich bin dafür da, dem gesamten Berlin 
zu dienen, und kein Weg wird mir dazu zu schwer sein (Starker 
Beitall). Aber Ihnen, meine lieben Berliner und Berlinerinnen, danke 
ich, daß Sie alles, was in diesen Wochen über Sie verhängt wird, 
hinnehn^en in dem Bewußtsein: Berlin kämpft für Deutschland, 
Deutschland verläßt Berlin nicht, und Berlins und Deütschlands 
Demokratie kämpft für die Weltl (Stürmischer Beitall.) 
DER SPRECHER 
Ich danke im Namen aller Anwesenden für die herzlichen 
Worte, die Frau Schroeder getunden hat, und ich bin glücklich, 
daß sie den Rest dieser — das glaube ich sagen zu können — 
eindrucksvollen Kundgebung miterlebt hat. 
Sie hören noch zwei Sprecher, zuerst RAINER HILDEBRANDT, 
einen Vertreter der Widerstandsbewegung und Schüler des noch 
am 23. April 1945 von der SS gemordeten Berliner Universitäts- 
protessors Albrecht Haushoter. 
RAINER HILDEBRANDT 
DlE Ereignisse der letzten Wochen verdienen es, etwas über eine 
Begegnung zweier Männer zu sagen, die im Kampf um die Freiheit 
gefallen sind. 
Es war im Frühjahr 1942, als Albrecht Haushofer, einer der Männer 
des späteren 20. Juli, mit Karl Schulze-Boysen, dem Führer einer 
kommunistischen Widerstandsgruppe, zusammenkam. Es war ein 
langes Gespräch, in welchem jeder seine Ansicht offen aussprach. 
Es war Schulze-Boysens Überzeugung, daß es Sache einer verant 
wortungsbewußten Bildungsschicht sei, sich auf kommende soziale 
Umwälzungen vorzubereiten. Als er davon sprach, was das für ihn
	        
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