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RUSSISCHE PARTEICHRONIK.
Die 12. Nummer der Zeitschrift „Snamja", die drei Zensuren
passieren mußte, wurde sofort nach ihrem Erscheinen beschlagnahmt.
Als Grund wurde irgendein „gefährlicher“ Druckfehler im Text ange
geben. Während noch wegen Freigabe der Nummer verhandelt wurde,
wurde von der Regierung das weitere Erscheinen der Zeitschrift ver
boten.
Es wurde ein Gesuch betreffs Herausgabe einer neuen Zeitschrift
„Snamja Maximalisma“ eingereicht. Dieses Gesuch wurde abschlägig
beschieden.
Im April wurde die Schließung des Parteiverlags „Nasch putj“
verfügt.
Als das „Parteibullelin“ — nicht zwecks Verbreitung in den Massen
— auf der Schreibmaschine vervielfältigt wurde, rückte die Tscheka
an, beschlagnahmte das gesamte Material und erklärte, daß auch für
die Herausgabe eines echten Bulletins zuvor die Zensurgenehmigung
einzuholen sei.
Vom Petersburger Tribunal wurden Ende Dezember vier Linke
Sozial-Revolutionäre, darunter zwei Frauen, zum Tode durch Erschießen
verurteilt: Ssaper, Beressneff, Ssokolowa, Lilwinowa.
Sie machten eine Eingabe, in. der sie sich weigerten vor Gericht zu er
scheinen. Es heißt da unter anderem:
„ .... ln ihrer ohnmächtigen Wut versucht es die Il.K.P. uns einen
Kriminalprozeß anzuschmieren, der von Anfang bis Ende von tscheki-
stischen Provokateuren fabriziert wurde. Wer sind die Zeugen? Fiktive
Schreiben, die in der Tscheka fabriziert wurden, Denunziationen ge
heimer und offenkundiger Tschekisten-Provokat'eure und Kriminalver-
brtecher, die von Tschekisten mit dem Versprechen in Freiheit gesetzt zu
werden oder Kommissarstellen statt der Haft oder der angedrohten
Todesstrafe zu erhalten, bestochen wurden. Das alles ist nicht neu.
Solche Versuche wurden auch von der zaristischen Regierung in Augen
blicken reaktionärer Anfälle gemacht. Die R.K.P., dieses geistige
Produkt der Selbstherrschaft, ahmt den Absolutismus in widerwärtig
ster und unehrenhaftester Weise nach. Unter der großen Menge von
Gemeinheiten, die wir zu sehen Gelegenheit hatten, halten wir es für
unsere Pflicht, folgende Tatsachen, die das wahre Gesicht der R.K.P.
und ihrer Diktatur enthüllen, hier zu vermerken: 1. Die Unter
suchung in Sachen der gegen uns Linke Sozial-Revolutionäre, aber auch
gegen Sozialisten anderer Parteien und Anarchisten erhobenen An
klage wegen konterrevolutionärer Umtriebe, wird vom zaristischen
Geriehtspristaw Orwis geleitet. Er ist cs auch, der die Anklage zu-
sammensloppell, derzufolge wir einen Kriminalprozeß angeschmierl
'erhalten. 2. Anwendung von Ketten in kommunistischen Gefäng
nissen für Sozialisten (Bordanol'f, Steljmakoff, Arbeiter der Röhren
fabrik u. a.). 3. Marter unseres Genossen Michail Nikolajeff durch den
Kommissar der Petersburger Tscheka Komow.ilsch u. Ko.: Die Ge
schlechtsteile wurden geschlagen, die Augen wurden mit flacher Hand
eingedrückt, Schläge mit dem Revolverkolben auf die Hände; hierauf
Haft in der. sog. „Propka“ (Korkzelle). 4. Folter im gelben Hause
(Irr'enanstalt): das Revolutionstribunal läßt die Genossin Litwinowa-
Grusdiewa, die Arbeiterin der Röhrenfabrik, entgegen der ärztlichen An
ordnung in die Irrenanstalt „Nikolai Tschudotworez“ ein sperren und
Jäßl sie in dieser Anstalt einen ganzen Monat lang, trotz wiederholter