Ich hake bisher geglaubt, daß die Redakteure des „VolkSstaat' mehr
Sittlichkeits- und Nechtlichkeitsgefühl besäßen als ihre Kollegen von der
offiziösen und liberalen Presse; sonst würde ich diese kurze Defension nicht
niedergeschrieben haben und' nicht an Sie abgehen lassem Ich hoffe, nicht
enttäuscht zu werden.
Hüffe bei Pr. Oldendorf, 22. November 1873.
Wilhelm Hohoff, Kaplan.
Mein H e r r I
Sie haben in Nr. 8 ein Schreiben veröffentlicht, worin Sie als ein
„Diener der Kirche" sich gegen die Angriffe zu verteidigen suchen, welche ich
in der von mir herausgegebenen Broschüre: „Die parlamentarische Tätigkeit
des Deutschen Reichstages usw." gegen die Kirche und die Religion überhaupt
erhoben habe. Ihre Verteidigung erheischt eine Antwort, und zwar von mir
als Verfasser jener Broschüre. Erfolgte diese nicht eher, so wollen Sie dies
durch ein längeres Unwohlsein entschuldigen, das mich am Schreiben ver
hinderte, und fällt sie etwas länger aus, so mögen Sie daraus schließen, daß
ich Ihre Einwände für wichtig und bedeutend genug hielt, um sie in einer
längeren Ausführung zu widerlegen.
Sie fühlen sich durch einige Stellen meiner Broschüre persönlich getroffen
und verletzt, wozu Sie/ wie Sie bei nochmaligem Durchlesen derselben vielleicht
selber zugeben werden, keine Ursache haben. Ich habe kirchliche Personen nicht
angegriffen, ich habe nirgends bestritten, daß es unter den „Dienern der Kirche
auch eine Anzahl gäbe, die aus innigster, ehrlichster Ueberzeugung ihrem Berufe
obliegen"; ich konnte dies um so weniger, als ich einigermaßen die Präparanden.
Anstalten kenne, welche bestimmt sind, junge, unbefangene und noch unwisiende
Gemüter zum „Dienste der Kirche" zurechtzukneten und zu erziehen. Ich gehe
noch weiter: ich gebe zu, daß es Tausende von Männern gibt, selbst auf vor
geschrittener Bildungsstufe, welche mit Leib und Seele der Kirche und ihren
Lehren ergeben sind, daß es Tausende und aber Tausende gibt und Millionen
gegeben hat, welche durch große Opfer aller Art sich ihr Seelenheil bei der
Kirche zu erkaufen suchen. Aber was beweist das gegen die von mir entwickelten
und hier in Frage stehenden Ansichten? Einfach nichts, absolut nichts. Die
selbe Opferwilligkeit, Selbstpeinigung und Askese, derselbe fanatische Glaube,
mit welchem Millionen Menschen an dem Christentum gehangen haben und
noch hängen, alle diese Eigenschaften haben Millionen Anhänger des Juden
tums, der Lehren des Buddha, des Confucius, des Muhamed bewiesen, sie
alle können mit demselben Rechte wie Sie auf die Erfolge ihrer Religion,
auf die Opfer ihrer Gläubigen Hinweisen.
Wollte man statistisch feststellen, in welcher Religion Millionen von
Menschen am eifrigsten geglaubt und gestrebt, die größte Entsagung, die größte
Selbstpeinigung, die größte Aufopferung stattgefunden hat, es unterläge keinem
Zweifel, die Religion des Buddha würde in allen Beziehungen den Katholizis
mus und das Christentum überhaupt übertreffen.
Nach Ihrer Schätzung des Wertes der Religion müßte also eigentlich der
Buddhaismus die wahre und wirkliche Religion sein und hätte ich mich einer
großen Sünde schuldig gemacht, indem ich erklärte, daß trotz alledem der