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Punkt 1
Die Gewerkschaften während der Revolutionszeit.
Legion: Die anfängliche Ausschaltung der Gewerkschaften aus rein politischen
Zweckmäßigkeitsgründen hat mehr und mehr dazu geführt, dieselben auch wirtschaftlich
aui die Seite zu drängen. Die Vorgänge in Kiel, Hamburg mtib- Bremen zeigen eine
ganz unhaltbare Entwicklung, die Interessen der Arbeiterschaft werden aufs schwerste
geschädigt. Das heute in den Vordergrund geschobene Rätesy-stem ist keine leistungs
fähige Organisation, es zersplittert die Einheit des Berufszweiges und inacht, entgegen
allen Gewerkschaftsanfchauungen, den Lohn Non der Rentabilität des einzelnen Betriebes !
abhängig. Redner bespricht die Stellungnahme verschiedener Parteigenossen zu der
Rätefrage und zitiert auch verschiedene Auslassungen aus der Presse, die alle daraus
hinauslaufen, den Arbeiterräten die Lösung wirtschaftlicher Aufgaben als Tätigkeits
gebiet zuzuweisen. Mit Erfolg können aber gerade auf diesem Gebiet mir die Gewerk
schaften wirken. Ob es möglich sei, die Räte in den Ausbau der Gewerkschaften einzu
gliedern, glaubt Redner verneinen zu müssen, denn die Regelung der Verhältnisse durch
die Gewerkschaften erfolgt im Interesse der Gesamtheit der Berufsangehörigen, nicht
aber nach den Ergebnissen einzelner Betriebe. Vielleicht könnten die Räte.. cm ©teile
der Arbeitgrausschüsse treten, um deren Ausgaben zu übernehmen.
Züm "Schluß MMk Redner noch auf die Behandlung von Koaliti-onsfragen in der
Nationalversammlung zu sprechen. In dem veröffentlichten Verfassungsentwurf sagt
Z 22: „Alle Deutschen haben das Recht, sich ohne besondere Erlaubnis friedlich und ohne
Waffen zu versammeln und Vereine zu bilden. Das Koalitionsrecht darf in keiner
Weife beschränkt werden." Tiefe Form hält Redner nicht für ausreichend, auch das
Recht der Arbeitsverweigerung muß so scharf zum Ausdruck kommen-, wie das Recht
zur Bildung von Vereinen und zu Versammlungen.
In der Debatte wird fast allseitig die gleiche Auffassung vertreten und besonders
auf -die Hetze gegen die Gewerkschaften verwiesen. Trotzdem haben die Gewerkschaften
nie einen so -starken Zulauf gehabt, wie gerade jetzt. Bei Rückkehr normaler Zustände
werde die Rätefrage ganz von selbst ihre Bedeutung verlieren. Soweit einzelne Redner
für Nutzbarmachung der Räte eintraten, mußten auch sie die Schwierigkeit der Ein
gliederung dieser in -die Gewerkschaften anerkennen.
Bon einer besonderen Befchlnßfasstmg wurde Abstand genommen.
Punkt 2 ,
Arbeitslosenunterstützung und Beschästjgungsmcglichkeit der Arbeitnehmerschaft
behandelt S a s s en b a ch. Redner gibt eine ausführliche Darstellung der Einrichtungen,
die in Berlin für -die Durchführung der öffentlichen Erwerbslosenfürs-orge getroffen
worden find. Di« Zahl der Arbeitslosen ist in ständigem Wachsen begriffen. Die viel
fach tu der.Presse aufgetauchte Behauptung, daß die Arbeitslosen keine Lust zur Arbeit
hätten, erklärt Redner nur für einen- kleinen Teil derselben für zutreffend, es fehle eben
an genügender Arbeitsmöglichkeit. Vielfach besteht auswärts Abneigung großstädtische,
besonders Berliner Arbeiter anzustellen. Leider hat sich dber ergeben, daß in- vielen
Fällen Mißbrauche mit- der Einrichtung der Unterstützung getrieben wurde, so daß zu
den verschiedensten- Kontrollntaßnahmen gegriffen werden ntußte. Die Tätigkeit des
Rats der Arbeitslosen- hat sich, nachdem dieser in seine gesetzliche Schranken vcrw-iefen
wurde, recht gut bewährt. Irgendwelche Vorschläge zur Arbeitsbeschaffung oder ander
weitigen Regelung der eingeführten Unterstützung werden vom Referenten nicht gentacht.
Die allgemeine Aussprache erstreckt sich vornehmlich aus die Kohlenversorgung der
Industrie und- es wird angeregt, ob nicht im Interesse einer gesteigerten Kohlenförderung
eine Kundgebung der Vorstände erlassen werden solle. Die Konferenz nimmt aber
davon Abstand. Abgelehnt wird auch eine Beschlußfassung über die Frage, ob die
gewerkschaftliche Uatterftützuugsgewährung bei Arbeitslosigkeit eingeschränkt werden
könne.