126
5 Die Gewerkschaften haben auch in der G e m e i n w i r t s ch a f t und selbst in
völlig sozialisierten Betrieben die Interessen der Arbeitnehmer gegenüber Betriebs
leitung, Gemeinde und Staat zu vertreten. Sie sind deshalb auch im Zeitalter des
Sozialismus notwendig. Die sozialeFürsorge der Gesellschaft macht die gegen
seitige Hilfe der Arbeiter in ihren Organisationen nicht entbehrlich. Die.Gewerk
schaften fordern von der Gesellschaft eine ausreichende Fürsorge für die Bedürftigen,
insbesondere für die Erwerbsunfähigen, Erwerbsbeschränkten und ohne eigenes Ver
schulden Erwerbslosen. In dem Maße der Verwirklichung und Sicherung dieser
öffentlichen Fürsorge können die gewerkschaftlichen Unterstützungseinrichtungcn ab
gebaut werden.
6. Die Interessengegensätze zwischen Betriebsleitungen und Arbeitnehmern
werden auch in der Gemeinwirtschaft nicht völlig beseitigt werden können. Selbst
wenn Arbeitseinstellungen infolge des sozialen Arbeitsrcchts und dcnwkratischer Mit-
verwaltung der Arbeitnehmer eingeschränkt werden können und im Interesse der
sozialistischen Volkswirtschaft durch schiedsgerichtliches Verfahren nach Möglichkeit ver
hütet werden müssen, können die Arbeitnehmer auf das Streikrecht nicht verzichten.
7. Das Mitbestimmungsrecht der Arbeiter muß bei der gesamten Produktion, vom
Einzelbetrieb beginnend bis in die höchsten Spitzen der zentralen Wirtschaftsorgani
sation verwirklicht werden. Innerhalb der Betriebe sind freigewählte Arbeiter
vertretungen (Betriebsräte) zu schaffen, die, im Einvernehmen mit den
Gewerkschaften und auf deren Macht gestützt, in Gemeinschaft mit der Betriebs
leitung die Betriebsdemokratic durchzuführen haben. Die Grundlage der Bctriebs-
demokratie ist der kollektive Arbeitsvertrag mit gesetzlicher Rechtsgültigkeit. Die
Aufgaben der Betriebsräte im einzelnen, ihre Pflichten und Rechte, sind in den Kollek
tivverträgen auf Grund gesetzlicher Mindestbcstimmungen festzulegen.
8. Die Durchführung der in diesen Richtlinien aufgestellten Forderungen ist Auf
gabe der gewerkschaftlichen Zentralorganisationen in den einzelnen
Industrie- und Bcrufszweigcn, die sich im Deutschen Gewerkschaftsb u n d
zu einer Gesamtvcrtretung der Arbeit vereinigt haben. Ten zum Deutschen Gewerk
schaftsbund gehörigen Gewerkschaften kann jeder Arbeiter und jede Arbeiterin bei-
tretcn. Politische oder religiöse Ueberzeugung ist in dieser Organisation kein Hinde
rungsgrund für den Beitritt.
9. In den Gemeindebezirken oder größeren Wirtschaftsgebieten übernehmen die
aus Urwahlen mit beruflicher Gliederung hervorgehenden Arbeiter röte neben
den innerhalb der allgemeinen Wirtschaftsorganisation ihnen gesetzlich zugewiesenen
Pflichten und Rechten auch die sozialen und kommunalpolitischen Aufgaben der seit
herigen örtlichen G e w e r k s ch a f t s k a r t e l l e. An Stelle der letzteren treten
Ortsausschüsse des Deutschen Gewerkschaftsbundes, die ihre Tätigkeit auf die
rein gewerkschaftlichen Aufgaben beschränken und daneben die Verbindung der Gewerk
schaften mit den Arbeiterrätcü herstellen.
10. Außer diesen örtlichen Arbeiterräten sind Arbeitervertretungen für
größere Bezirke und für das Reich auf Grund von Urwahlen nach dem
Verhältniswahlsystem zu berufen. Dieselben können mit entsprechend zusammen
gesetzten Vertretungen der Betriebsleiter gemeinsam sozialpolitische und wirtschafts
politische Angelegenheiten als Selbstverwaltungsorgane w.cr Volks
wirtschaft (W i r t s ch a f t s k a m m e r n) behandeln, Gesetzentwürfe ausarbeiten
und begutachten sowie Vorschriften für die Organisation der Betriebe und Wirt
schaftszweige zu deren Sozialisierung ausarbeiten und auf ihre Durchführung hin
wirken.
11. Die Gewerkschaften können nach ihrem Charakter als Vertretung reiner
Arbeiterinteressen nicht selber Träger der Produktion sein, als welche die Wirtschafts
kammern zu gelten haben. Ihnen fällt aber die Führung einer zielbewußten
Arbeiterpolitik innerhalb der Wirtfchaftskammcrn zu. Sie haben grundsätz
liche und praktische Richtlinien für die Arbeitervertreter aufzustellen und für die
dauernde Verbindung dieser Vertreter untereinander und mit den Gewerkschaften
Sorge zu tragen. Sie müssen umfassende Maßnahmen treffen, um die Erkenntnis