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Die Ernährung der Bevölkerung ist entgegen den Vorschlägen der Gewerk-
schaften in einer Weise geregelt worden, die den Schleichhandel und Lebensmittel
wucher ermöglicht und die Produkte nicht bei dem Erzeuger erfaßt. Die unzu
reichende Ernährung der großen Masse des Volkes ist nicht allein auf den Mangel an
Nahrungsmitteln, sondern zum großen Teil auf die ungenügende Organisation zu
ihrer Erfassung zurückzuführen.
Auch dem Verlangen nach einem baldigen Frieden der Verständigung, das die
große Mehrheit des deutschen Volkes mit der Arbeiterschaft teilt, hat die Regierung
nicht ausreichend Rechnung getragen. Sie hat unterlassen, den annexionistischen
Bestrebungen der sogenannten „Vaterlandspartei" und ähnlicher Gruppen eine un
zweideutige Absage zu erteilen.
Die Verhandlungen im Verfassungsausschuß des preußischen Landtages über
die Wahlrcchtsvorlage haben die Empörung in der Arbeiterschaft schließlich so ge
steigert, daß es zu den Arbeitseinstellungen gekommen ist.
Das jetzige Verbot aller Versammlungen der Streikenden durch die Militär
behörden trägt weiter zur Vermehrung der Erbitterung bei und macht es zugleich
unmöglich, eine geregelte Wiederaufnahme der Arbeit herbeizuführen.
Um so entschiedener müssen die Gewerkschaften gegen die von den militärischen
Stellen gegen die streikenden Arbeiter getroffenen Maßnahmen den schärfsten Protest
erheben. Nicht durch Gewaltdrohungen und Gewaltmaßnahmen, sondern nur durch
ein offenes Verständnis für die seelische und wirtschaftliche Bedrängnis der arbeiten
den Volksschichten können innere Konflikte vermieden werden.
Die Vertreter der Gewerkschaften werden nach wie vor ihre Kraft einsetzen,
die Landesverteidigung zu sichern und halten es deshalb für ihre Pflicht, in dieser
Stunde nochmals die ernste Mahnung an die Regierung und die Militärbehörden
zu richten, den Wünschen und Bedürfnissen der Arbeiterschaft in dem erforderlichen
Umfange Rechnung zu tragen."
* *
' Damit sind die Verhandlungen der Konferenz beendet.
Sechzehnte Konferenz
der Vertreter der Verbandsvorstände
abgehalten am 25. und 26. März 1918 im „Gcwerkschaftshaus" zu Berlin
Tagesordnung:
1. Geschäfts- und Kassenbericht der Generalkommission.
2. Die gesetzliche Regelung der Arbeitslosenversicherung und Arbeitsvermittlung nach
dem Kriege.
3. Die Organisation der Kriegsteilnehmer und Kriegsbeschädigten.
4. Die Beteiligung der Gewerkschaften an der vom Reichsausschuß der Kriegs-
bcschädigtenfürsorge in Aussicht genommenen öffentlichen Saninilung für die Kriegs
beschädigten.
5. Verschiedenes:
a) Bericht der Verhandlungen mit Professor Brentano über die gesetzliche Rege
lung des Rechts der Tarifverträge.
b) Die sozialpolitische Kundgebung am 14. April.
e) Ankauf eines Restbcstandes des Buches von Kulemann.
cl) Schreiben des Ministers Delbrück über kriegswirtschaftliche Berichte.
e) Volksbund und Organisationsleiter.