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Mann von weitgehendem sozialen Empfinden ist, aber er kann die schönsten Erlasse
hinausschicken, die untergeordneten Stellen verfahren doch nach ihrer persönlichen
Auffassung. Die Hauptschuldigen sind die Arzte. Der Arzt soll in seinem Urteil un-
, beeinflußt sein, und die schönsten Anweisungen werden nicht verhindern können, daß
ungeheuer viel Unrecht geschieht, Unrecht tatsächlicher Art. Und dann die vielen Fälle,
die glauben, eine Rente beanspruchen zu können, weil sie mal ein paar Tage Krieg
mitgemacht haben, aber tatsächlich durch eine alte Krankheit in ihrer Erwerbs
tätigkeit beeinträchtigt werden. Nun stellt sich- die Bäderfürsorge des Roten Kreuzes
und auch die Kricgsbeschädigtenfürsorge auf den Standpunkt, wir wollen nicht nach
prüfen ob der Mann mit Recht Anspruch ans die Rente erheben kann, er bedarf der
Hilfe, und wir wollen ihm helfen. Es werden nach diesem Kriege Zehntausende von
Rentenansprüchen erhoben werden, die mit Recht abgewiesen werden müssen. Wir
arbeiten ja darauf hin, den Kriegsbeschädigten einen billigen Rechtsweg zu ge
währen und der Reichsausschuß hat sich auf unsere Anregung hin dafür ausgesprochen,
daß die Organe der Arbeitervcrsicherung auch über die Rcntenstreitsachcn mit dem
Militärsiskus zu entscheiden haben sollen. Während heute lediglich das Kriegs-
ministerium entscheidet und im ordentlichen Rechtswege immer nur die Höhe der
Rente angefochten werden kann, nicht aber die Entscheidung darüber, ob es sich um
eine Dienstbcschädigung handelt, verlangen wir, daß die Sondergerichtc der Arbeiter-
versicherung diesem Zwecke dienstbar gemacht werden, wenn auch in anderer Besetzung.
Statt der bürgerlichen Arbeitgeber werden wohl Vertreter des Militärsiskus teil
nehmen. Jedenfalls würde dadurch ein schnelles und kostenfreies Rechtsverfahren
sichergestellt werden. Aber selbst wenn wir dies Rechtsverfahren bekommen, werden
noch Zehntausende abgewiesen werden, teilweise zu Recht und teilweise zu Unrecht.
Die Gerichte können sich doch auch immer nur auf die äußeren Merkmale und die
ärztlichen Gutachten stützen und die Arzte sind Irrtümern ausgesetzt, so daß man
sich gar nicht darüber wundern kann, wie groß die Zahl der Leute ist, die glauben,
ihnen ist Unrecht geschehen. Aber das ist nicht zu ändern. Es bleibt immer so
viel Not und Elend übrig, das durch den Staat nicht beseitigt werden kann, es sei
denn, wir hätten einen sozialistischen Staat, in dem jedem geholfen wird, der in
Not und Elend ist. Aber solange wir den heutigen Staat haben und solange nach
gesetzlichen Ansprüchen entschieden wird, bleibt für die private Fürsorge immer noch
so ungeheuer viel übrig. Wenn nun infolge des großen Erlebens dieses Weltkrieges
weiteste Kreise geneigter sind, für die Opser des Krieges etwas beizutragen, dann
sollten auch wir nicht sagen: Dagegen, daß die Bourgeoisie zahlt, haben wir nichts,
aber die Arbeiter sollen nichts zahlen. Das ist ein Standpunkt, der sich nicht recht
fertigen läßt, und ich glaube, wir können noch so sehr protestieren, die Öffentlichkeit
würde doch sagen, das ist ein sonderbares Verfahren, alle andern machen mit und
fordern ihre Klassengenossen auf, ihr Scherflein beizutragen, nur die freien Gewerk
schaften sind nicht dafür zu haben.
Hiernlit schließt die Debatte.
Die Entscheidung wird ausgesetzt. Die Angelegenheit wird an die Vorstände
zurückverwiesen, die nochmals darüber beraten sollen. Die Abstimmung darüber soll
schriftlich erfolgen.
Es folgt der
Bericht der statistischen Kommission.
L e g i e n : Der Kommission lagen zwei Fragen zur Beratung vor, erstens die,
ob unsere Gewerkschaftsstatistik dahin erweitert werden soll, daß alle Angaben über
die Einnahmen und Ausgaben getrennt für männliche und weibliche Mitglieder
gemacht werden sollen, und zweitens ob es möglich ist, einen einheitlichen Termin
für die Erhebungen über die Dauer der Arbeitszeit und die Höhe des Lohnes in den
einzelnen Gewerkschaften festzusetzen.
Die erste Frage hat die Kommission verneint, weil der angestrebte Zweck nicht
erreicht wird. Die Statistik würde in ihrem Umfang nahezu verdoppelt, weil
mindestens zwei Drittel mehr an Tabellen herauskommen würden. Um den be-