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p Kein Zweifel, einzelne Arbeiterschichten haben ihre Lage in den letzten
Jahrzehnten erheblich verbessert, aber viele sind auf dem alten Niveau geblieben,
manche immer tiefer im Elend versunken. Wir haben keinen Grund, zu erklären,
der Kampf gegen das Elend sei aussichtslos und dieses in allgemeinem Wachs
thum. Vielmehr ist es stellenweise durch die Arbeiterbewegung schon zurück
gedrängt worden und eS ist in mancher Beziehung in allgemeiner Minderung
begriffen. Aber diese Minderung ist sehr geringfügig, verglichen mit den Schätzen,
welche die Kapitalistenklasse aufhäuft; sie ist nur durch steten und erbitterte»
Kampf dieser Klasse abgerungen worden, sie kann nur fortgeführt, ja behauptet
werden in stetem Kampf. Und die einzige Partei, welche diesen Kampf führt und
dem Elend in wirksamer Weise heute schon entgegenwirkt, ist die Sozialdemokratie.
c) Oie sittliche und körperliche Hebung des Volkes.
Nachdem Bürger die ökonomische Hebung der Arbeiterschaft in seiner Weise
beleuchtet hat, fragt er: „Wie bekommt dem Volke die gegenwärtige soziale Ein
richtung?" Und er antwortet: „Die Antwort auf diese Frage kann wahrheits
gemäß nicht anders lauten als: sehr gutl"
Wahrheitsgemäß! Von nichts spricht Herr Bürger so gern wie von der
Wahrheit. Es giebt Leute, die gerade das am höchsten schätzen, was ihnen am
fernsten liegt.
Begründet wird dieses „sehr gut!" mit einer Reihe statistischer Zahlen, die
bezeugen sollen, daß das deutsche Volk sittlich und körperlich in erfreulichstem
Aufschwung begriffen ist.
Sagten diese Zahlen wirklich das, was sie nach Bürger sagen, so bewiesen
sie damit noch nichts für seine Behauptung, wie schon unsere Auseinander
setzungen über die sogenannte Theorie der Verelendung zeigen. Er müßte erst
beweisen, daß diese Verbesserungen aus der „gegenwärtigen sozialen Einrichtung"
entsprangen und nicht aus dem Kampf dagegen. Oder zählt er diesen Kampf
und die ihm dienenden Organisationen auch zu der „gegenwärtigen sozialen Ein
richtung?" Ja, dann müßten wir dieselbe Antwort geben wie Bürger, und sie
könnte auf die Frage: wie bekommen dem Volk Sozialdemokratie und Gewerk
schaften? wahrheitsgemäß nicht anders lauten als: sehr gutl
Aber so meint das Herr Bürger nicht. Von der Sozialdemokratie und auch
von den Gewerkschaften, wie seine Bemerkung über die Streiks bezeugt, will er
nichts wissen. Die „gegenwärtige soziale Einrichtung" ist ihm der Kapitalismus.
Wenn aber dieser so segensreiche Folgen heute zeitigt, wo ihn Sozialdemo
kratie und Gewerkschaften einengen, so müßte er um so herrlicher dort wirken»
wo weder Sozialdemokratie noch Gewerkschaften ihm entgegentreten.
In diesem idealen Zustand befindet sich heute der Kapitalismus nirgends.
Um einen solchen zu finden, müssen wir wieder nach England gehen und uns in
die ersten Jahrzehnte des vorigen Jahrhunderts versetzen. Wie er damals aus
die Löhne wirkte, haben wir schon gesehen.
Wie er auf die Sittlichkeit wirkte, zeigen folgende Zahlen der bor den
Schwurgerichten Angeklagten im Verhältniß zur Bevölkerung. Es entfielen auf
je 10 000 Köpfe:
Jahr
Angeklagte
Jahr
ringeklagte
Jahr
AngeNagte
Jahr
AngeNagte
1823
98
1823
123
1833
140
1838
151
1824
108
1829
187
1834
155
1839
153
1825
112
1830
131
1835
141
1840
173
1828
124
1831
140
1886
140
1841
174
1827
185
1832
147
1837
156
1842
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