Full text: Die Vernichtung der Sozialdemokratie durch den Gelehrten des Centralverbandes deutscher Industrieller

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Es scheint, daß unser biederer Bürger nicht lügen kann, ohne die Wahrheit 
anzurufen. 
Die Verbrechen mindern sich nicht, sie nehmen im Allgemeinen zu. Nur 
manche Verbrechen nehmen ab, jene Verbrechen, die dem Geiste der 
Feudalzeit entsprechen und deren einfache Unthaten heute immer mehr aus der 
Mode kornmen; jene, bei denen der Thäter direkt durch seine eigene Per 
sönlichkeit, gewissermaßen mit Handarbeit, wirkt, wie Mord und Todtschlag, 
Raub, Diebstahl und was damit zusarnmenhängt. Dagegen wachsen jene Eigen- 
thumsvcrbrechen, die, dein Geist des Kapitalismus cirtsprechend, raffinirte 
Methoden anwenden, bei denen die Persönlichkeit des Thäters durch einen ver 
vollkommneten Mechanismus wirkt, wie Fälschung, Betrug, Unterschlagung. In 
Bürger's Augen sind solche Gaunereien offenbar sehr ehrenwerthe Handlungen, 
und dann hat er ja Recht mit seiner Behauptung, daß die Krinrinalität abnehme. 
Neben der Verdrängung der primitiven, plumpen, durch die abgefeimteren 
Arten der Verbrechen zeigt uns die Statistik aber auch die Zunahme jener Ver 
brechen, die aus der wachsenden nervösen Reizbarkeit und Verkommenheit der 
unter dem Drucke des Kapitalismus seufzenden Menschheit herrühren; die Zu 
nahme der Fälle von Nothzucht, Beleidigung, Körperverletzung. 
Aber noch andere Veränderungen des Verbrechens zeigt uns die Statistik. 
Unter den Verurtheilten waren im Alter von 12—18 Fahren: 
1882 9,7 Prozent 
im Durchschnitt von 
1882—1897 . . 9,8 „ 
1898 10,0 Prozent 
1899 9,9 „ 
1900 10,4 „ 
Also die Zahl der jugendlichen Verbrecher nimmt zu. Fm 
Jahre 1882 zählte man ihrer 30 719, 1900 43 657. Vorbestrafte 
Fugendliche waren 1889 6590, 1896 dagegen 8316; 1889 15,2 pCt., 1898 
18,8 pEt. 
Unter der Gesammtzahl der Verurtheilten waren vorbestraft.: 
1896 . . . 38,9 Prozent I 1899 . . . 40,8 Prozent 
1898 . . .. 40.2 „ ! 1900 . . . 41,3 
Welche Fortschritte! Der Kapitalismus vermehrt die Zahl der jugendlichen 
und die der Gewohnheitsverbrecher! 
Es gehört eine besondere sittliche Natur dazu, mit dieser „sozialen Ein 
richtung" zufrieden zu sein. 
d) Die frauen- und Kinderarbeit. 
Neben allen diesen Symptomen einer tiefgehenden und theilw'eise noch fort 
schreitenden Erkrankung des Volkskörpers, die Bürger in Zeichen blühendster 
Gesundheit umschminkt, giebt es andere, die er theils gar nicht bespricht, theils 
flüchtig streift. 
Wir würden den Rahmen dieser Arbeit überschreiten, wollten wir sie noch 
ausführlich behandeln. Aber ohne Erwähnung dürfen sie nicht bleiben. 
Die eine dieser Erscheinungen ist die Erwerbsarbeit der Frauen und jugend 
lichen Personen, durch die das Kapital die Arbeit erwachsener Männer ersetzt. 
In einer Gesellschaftsordnung, in der die Arbeiter selbst Herren ihrer Pro 
duktionsmittel wären, könnte die Eriverbsarbcit von Frauen und Kindern sehr 
gedeihlich wirken. Die erstere wäre ein Mittel, die Frauen witthschaftlich selb 
ständig und dadurch dem Manne gesellschaftlich ebenbürtig zu machen, sie auf eine 
höhere gesellschaftliche Stufe zu heben. Und die Erwerbsarbeit von Kindern 
könnte zu einem mächtigen Mittel ihrer körperlichen und geistigen Bildung und 
sittlichen Erziehung werden.
	        
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