Full text: Die Vernichtung der Sozialdemokratie durch den Gelehrten des Centralverbandes deutscher Industrieller

ES stellt sich Ne Aufgäbe, Ne Begründung, die daS Programm der deutschen 
Sozialdemokratie seinen Forderungen vorausschickt, als unvereinbar mit den 
Thatsachen zu erweisen. Es handelt sich um das auf dem Parteitage in 
Erfurt 1891 beschlossene Programm, dessen einleitende Sätze lauten: 
Die ökonomische Entwicklung der bürgerlichen Gesellschaft führt mit Natur 
nothwendigkeit zum Untergang des Kleinbetriebes, dessen Grundlage daS 
Privateigenthum des Arbeiters an seinen Produktionsmitteln bildet. Sie 
trennt den Arbeiter von seinen Produktionsmitteln und verwandelt ihn in 
einen besitzlosen Proletarier, indes; die Produktionsmittel das Monopol einer 
berhältnißmäßig kleinen Zahl von Kapitalisten und Großgrundbesitzern werden. 
Hand in Hand mit dieser Monopolisirung der Produktionsmittel geht die 
Verdrängung der zersplitterten Kleinbetriebe durch kolossale Großbetriebe, geht 
die Entwicklung des Werkzeugs zur Maschine, geht ein riesenhaftes Wachsthum 
der Produktivität der menschlichen Arbeit. Aber alle Vortheile dieser Um 
wandlung werden von den Kapitalisten und Großgrundbesitzern monopolisirt. 
Für das Proletariat und die versinkenden Mittelschichten — Kleinbürger. 
Bauern — bedeutet sie wachsende Zunahme der Unsicherheit ihrer Existenz, 
des Elends, des Drucks, der Knechtung, der Erniedrigung, der Ausbeutung. 
Immer größer lvird die Zahl der Proletarier, immer massenhafter die 
Armee der überschüssigen L'rberter, irmner schroffer der Gegensatz zwischen 
Ausbeutern und Ausgebeuteten, immer erbitterter der Klassenkampf zwischen 
Bourgeoisie und Proletariat, der die moderne Gesellschaft in zwei feindliche 
Heerlager trennt und das gemeinsame Merkmal aller Industrieländer ist. 
Der Abgrund zwischen Besitzenden und Besitzlosen wird noch erweitert 
durch die im Wesen der kapitalistischen Produktionsweise begründeten Krisen, 
die immer umfangreicher und verheerender werden, die allgemeine Unsicherheit 
zum Normalzustand der Gesellschaft erheben und den Beweis liefern, daß die 
Produktivkräfte der heuftgen Gesellschaft über den Kopf gewachsen sind, daß 
das Privateigenthum an Produktionsmitteln unvereinbar geworden ist mit 
deren zweckenffprechender Anwendung und voller Entwicklung. 
Das Privateigenthum an Produkttonsmitteln, welches ehedem das Mittel 
War, dem Produzenten das Eigenthum an seinen, Produkt zu sichern, ist heute 
zum Mittel geworden, Bauern, Handwerker und Kleinhändler zu expropriiren 
und die Nichtarbeiter — Kapitalisten, Großgrundbesitzer — in den Besitz des 
Produtts der Arbeiter zu setzen. Nur die Verwandlung des kapitalisttschen 
Privateigenthums an Produkttonsmitteln — Grund und Boden, Gruben und 
Bergwerke, Rohstoffe, Werkzeuge, Maschinen, Verkehrsmittel — in gesellschaft 
liches Eigenthum, und die Umwandlung der Waarenproduktion in sozialistische, 
für und durch die Gesellschaft betriebene Produktion kann es bewirken, daß 
der Großbettieb und die stets wachsende Erttagsfähigkeit der gesellschaftlichen 
Arbeit für die bisher ausgebeuteten Klassen aus einer Quelle des Elends und 
der Unterdrückung zu einer Quelle der höchsten Wohlfahrt und allseitiger 
harmonischer Vervollkommnung werde. 
Diese gesellschaftliche Umwandlung bedeutet die Befteiung nicht blos des 
Proletariats, sondern des gesammten Menschengeschlechts, das unter den heutigen 
Zuständen leidet. Aber sie kann nur das Werk der Arbeiterklasse sein, weil 
die anderen Klassen, trotz der Jnteressenstreitigkeiten unter sich, auf dem Boden 
des Privateigenthums an Produktionsmitteln stehen und die Erhaltung der 
Grundlagen der heuttgen Gesellschaft zum gemein>amen Ziel haben. 
Herr Bürger zitirt aus dem vorstehenden Programm den 1., 2.. 3. und Len 
Anfang des 6. Absatzes und macht sie zum Gegenstand seiner Kritik. 
Zwei Punkte sind es, die er dabei ins Auge faßt: den Untergang 
des Kleinbetriebes und die Zunahme des Elends. Zahllose 
Ziffern führt er ins Feld, unr die Unrichtigkeit beider Sätze zu beweisen. Es 
ist mitunter recht ermüdend, solche lange Zahlenreihen zu untersuchen und zu be 
leuchten. Aber wer es fertig gebracht hat, sich durch die Bürgerschen Zahlen 
durchzuarbeiten, soll sich nicht die Mühe verdrießen lassen, zu sehen, was dahinter 
steckt. Eines Mannes Rede ist bekanntlich keines Mannes Rede. Man muß 
fie billig hören Beede.
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.