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lassen Kerben, bei einer jeden Wiederbelebung des Geschäftsganges sind sie
die letzten, die wieder Arbeit finden. Gerade diese Arbeitslosen wurden von der
offiziellen Statistik am ehesten übergangen, da diese die über ein Jahr lang
Arbeitslosen sowie solche Arbeitslose, die in einem Nebenberuf Arbeit fanden,
nicht mitzählte. Trotzdem fand sie bei der Eintheilung nach Altersklassen, daß
von je 100 Arbeitern der betreffenden Altersklasse arbeitslos waren:
Alter
am
14. Juni 1895
männlich
weiblich
zusammen
14-20 Jahr .
1,57
1,07
1,36
20—30 .
2,23
1.71
2,03
30—50 „
2,06
1,50
1,92
50—70 „
2,82
1,76
2,43
über 70 Jahr .
3,73
2,12
3,21
Im Durchschnitt
2,10
1,46
00
oo
am 2. Dezember 1895
männlich
weiblich
zusammen
8,80
5.23
5,46
8,17
8,41
2,62
8,96
4,69
6,51
5,10
8,24
4,74
5.27
7,64
7.27
5,32
3,94
4,84
Wir sehen, die Arbeitslosigkeit nimmt immer schmerzlichere und ver
heerendere Formen an. Und sie ist die furchtbarste Geißel, die die Arbeiter
klasse kennt. Der Sklave, der Leibeigene wußte bei aller Frohn, allen Ent
behrungen doch seine Existenz gesichert. Sein Ausbeuter war auch sein Schutz
herr, der sein Leben zu schützen und seine Lebensnothdurft zu sichern hatte. Die
Lösung des Arbeitsverhältnisses in dem Moment, in dem es aufhört, profitabel
zu sein, die stete Bedrohung des Arbeiters mit Arbeitslosigkeit, das heißt mit
dem Aufhören seines Broteriverbs, ist eine Eigenthümlichkeit der kapitalistischen
Produktionsweise, die niit ihr wächst und gedeiht. Und vor dieser schlimmsten
Geißel ist kein Arbeiter sicher, auch der bcstgestellte nicht, und je größer sein
Wohlstand in der Arbeit, umso peinigender das Elend der Arbeitslosigkeit.
Zunahme der Arbeitslosigkeit heißt Zunahme der Unsicherheit, des Druckes, der
Erniedrigung.
Die Thatsache der Arbeitslosigkeit allein würde also schon genügen, den Satz
des sozialdemokratischen Programms vom Wachsthum des Elends zu recht
fertigen. Aber es ist nicht die einzige Thatsache, die ihn rechtfertigt. Wir haben
genug andere gefunden.
Werfen wir nochmals einen Blick auf die Ergebnisse dieses Kapitels. Es
hat uns Folgendes gezeigt: Es ist richtig, daß es der Arbeiterklasse durch steten
und rücksichtslosen Kampf gegen die Kapitalistenklasse gelingen kann und theil-
wcise schon gelungen ist, manche Formen des Elends einzudämmen. Es ist ihr
gelungen, die Arbeitszeit vielfach, mitunter ganz erheblich, zu verkürzen und die
Löhne zu erhöhen, wenn auch lange nicht in dem Maße, wie bürgerliche
Oekonomen behaupten. Es ist dadurch sowie durch die Fortschritte der
hygienischen Technik gelungen, die Sterblichkeit zu verringern und den Ucber-
schuß der Geburten über die Todesfälle zu vergrößern. Es ist der Arbeiterklasse
dort, wo sie politisch regsam und einflußreich ist, auch gelungen, die Bevölkerung
geistig und sittlich zu heben, die Zahl der Verbrechen zu verringern. Aber so
stark ist die niederdrückende Einwirkung des Kapitalismus auf die anderen
Volksklassen, daß im Ganzen und Großen die Zahl der Verbrechen steigt und
eine eigene, zunehmende Verbrecherbevölkerung sich bildet, wie die steigenden
Zahlen der jugendlichen Verbrecher und der Rückfälligen beweisen. Dabei
nimmt die Wucht des Konkurrenzkampfes so zu, daß immer mehr Mitglieder der
bestehenden Gesellschaft die Widerstandskraft gegen die Schläge des Lebens ver
lieren, wie die zunehmende Zahl der Irrsinnigen und der Selbstmorde beweist.
Eazu wächst das Elend der WohnungSnoth, daS Elend der Auflösung der Familie