I. Der Hiedergang des Kleinbetriebes.
a) Der Oedankengang des Programms der Sozialdemokratie.
Vor Allem untersucht Bürger die Frage, ob der Kleinbetrieb untertz'ehL.
Mit Nichten, behauptet er und verweist uns auf die jüngste Berufs- und Be«
triebsstatistik des Deutschen Reichs, aus deren Ergebnissen er für die Industrie
schließt:
„Die Bebölkerrmg hat sich von 1882—1895 nur um 13,5 Prozent ver
mehrt. Nahezu doppelt so stark wie die allgemeine Vvlkszunahme war
die Steigerung der Arbeiterzahl in den gewerblichen Kleinbetrieben, fast
fünfmal so st ark die Vermehrung der Arbeiterzahl in den kleineren
Mittelbetrieben. Wie verträgt sich das mit der Behauptung des Sozialisten«
Programms, daß die kleinen Betriebe untergehen?"
Er führt dann aus, daß in den Klein- und Mittelbetrieben in Deutschland»
Noch weit mehr als sieben Millionen Menschen arbeiteten.
„Diese müßten der Herrschaft des Großkapitals unterworfen werden,
ehe wir für die angeblichen Segnungen des Sozialismus reif sind. Wie viel
Jahrhunderte oder Jahrtausende kann das noch dauern? Und was für
Narren müssen die Leute sein, die sich Angesichts obiger statistischer That
sachen der Führung einer Partei anvertrauen, deren Programm erst am
St. Nimmerleinstag ausführbar wirdl"
Aber noch schlimmer für die Sozialdemokratie, als in der Industrie, steht
es im Handel und Verkehr.
„Die Zunahme der kleineren und mittleren Handelsbetriebe ist sehr stark;
sie ist 6 bezw. 7V-mal so groß wie die Bevölkerungszunahme, die, wie schon
erwähnt, nur 13,5 Prozent betrug."
Nun kommt die Landwirthschaft dran, deren Betriebszahl sich von 1882
bis 1895 um nahezu 300 OOV erhöht hatte, und zwar in allen Größenklassen
fast gleichmäßig.
Beweisen alle diese Zahlen nicht haarscharf, daß „die Sozialdemokratie
heute eine Partei ist, die ihr Programm auf einer Reihe von Behauptungen
aufbaut, die unwahr sind?" Und so schließt denn auch Herr Bürger das Kapitel
voll moralischer Entrüstung mit der Frage: „Kann ein wahrheitsliebende«
Mann einer solchen Partei angehören?"
Die Wahrheitsliebe, sie hat es Herrn Bürger angethan. Mit einem Motto
zum Preise der Wahrheit — „Die Wahrheit wird Euch frei machen" — leitet
er sein Schriftchen ein, dessen Schlußseite überfließt von tugendhafter Ent
rüstung über die Sozialdemokratie, die er als „die schärfste Gegnerin der Wahr
heit erkannt hat."
Aber diese verruchte Rotte hat die schlimme Gclvohnheit, Niemand auf's
Wort zu glauben, sondern sich jede Behauptung näher anzusehen, mag sie auch
von dem glühendsten Lobredner der Wahrheit herrühren.
Ehe wir das thun, müssen wir jedoch klar werden darüber, was das Pro«