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gramm Ser Sozialdemokratie thatsächlich besagt. Ein Parteiprogramm wird
in der Regel sehr verschieden ausgelegt werden können, und zwar um so mehr,
je mehr es über eine bloße Sammlung von einzelnen Forderungen hinausgeht
und Wesen und Ziele der Partei wissenschaftlich zu begründen sucht. Denn das
heißt nichts Anderes, als in wenigen Sätzen den Inhalt einer ganzen großen
wissenschaftlichen Literatur zusammenpressen. Wer von dieser Literatur nichts
kennt, der wird stets Gefahr laufen, das Programm nicht zu verstehen. Wer
Andere über das Programm belehren will, hat daher zunächst die Aufgabe, sich
selbst mit der Literatur vertraut zu machen, auf die es sich stützt. Freilich hat
dieses Studium für unsere Gegner seine Schattenseiten. Es erfordert nicht bloß
Zeit und Nachdenken, es erschwert auch die Widerlegung des Programms. Viel
einfacher ist es, dies ohne alles Wissen möglichst albern auszulegen. Dann
macht sich die Widerlegung für jeden „wahrheitsliebenden" Mann von selbst.
Herr Bürger scheint zu glauben — oder er thut wenigstens so — als ob
Sie Sozialdemokratie sagen wollte: das völlige Verschwinden des Kleinbetriebes
ist die Vorbedingung der sozialistischen Gesellschaft. An dem Tage, an dem es
in keinem Arbeitszweig mehr einen Kleinbetrieb giebt, werde die sozialistische
Gesellschaft möglich, nicht früher. Darum weist er auf die 7V- Millionen
Arbeiter in den Kleinbetrieben und auf deren Zunahme hin, um daraus zu
schließen, das Programm der Sozialdemokratie werde erst am St. Nimmerleins
tag durchführbar.
In Wirklichkeit entspringt dieses Programm einem ganz anderen Ge-
dankengange«
Ehedem herrschte in der Produktion der Kleinbetrieb, sowohl in der Land
wirthschaft wie in der Industrie. Das heißt, es gab wohl auch Großbetriebe,
aber die waren in der Regel den kleinen nicht technisch überlegeir. Jeder Klein
betrieb umfaßte meist nur die Arbeitskräfte der Familie oder höchstens 1 bis 2
Lehrlinge und Gesellen oder Knechte. Jeder Arbeiter hatte damals Aussicht, ein-
mal selbständiger Besitzer seiner Produktionsmittel, Land, Arbeitsvieh, Werkzeuge,
Rohmaterial, zu werden. Wo er daran gehindert wurde, waren andere Um
stände daran Schuld als die Produktionsbedürfnisse. Die Masse der Bevölkerung
hatte kein Interesse, das Privateigenthum an den Produktionsmitteln abzuschaffen,
sondern vielmehr das größte Interesse, es zur allgemeinen Thatsache und Jeder
mann zugänglich zu machen. Damals hätte der Sozialismus, das Streben
nach gesellschaftlichem Besitz und Betrieb der Produktionsmittel, niemals die
Mehrheit in der Bevölkerung, auch nicht der besitzlosen, gefunden.
Aber die Sachlage ändert sich, sobald der kapitalistische Großbetrieb auf
taucht und den Kleinbetrieb immer mehr zurückdrängt. Es ist unmöglich, daß
jeder Arbeiter einen Großbetrieb ertvirbt, denn ein solcher erfordert viele
Arbeiter. Je mehr der Großbetrieb herrscht, desto größer die Zahl der Arbeiter,'
die vom Besitz der Produktionsmittel, mit denen sie produziren, ausgeschlossen
find, die also kein Interesse am Privateigenthum an den Produktionsmitteln
haben. Aber jeder Arbeiter muß trachten, Herr seiner Produktionsmittel zu
sein. Ist er nicht ihr Herr, so wird er ihr Sklave. Der Lohnarbeiter des Kapitals
muß trachten, die Herrschaft der kapitalistischen Produktionsmittel über ihn zu
brechen. Er kann dies nicht mehr thun dadurch, daß er das Prtvateigenthum
an ihnen fordert — dies Privateigenthum ist vielmehr die Ursache seiner
Sklaverei — sondern nur noch dadurch, daß er die Aufhebung dieses Privat
eigenthums und den gesellschaftlichen Besitz und Betrieb der großen Produktions
mittel fordert. Nur noch dadurch, daß die Gesellschaft Herr der Produktions
mittel wird, kann der Lohnarbeiter als Mitglied einer Gesellschaft von Freien
und Gleichen der kapitalistischen Sklaverei entgehen und zur Herrschaft über die
Produktion gelangen. Er kann es nicht mehr als Einzelner, sondern nur noch