Die blöden Augen des Pförtners hatten sich an das
Dunkel gewöhnt. „Gott der Gerechte," sagte er erstaunt,
aus der Tür huschend, „es ist einer der Aeltesten! hoch
verehrter Herr, was haben Sie zu befehlen?"
„Ich nichts, aber der Rabbi hier wünscht, da er
morgen in aller Frühe mit der Eisenbahn abreist, noch
ein kurzes Gebet auf dem Kirchhof zu verrichten."
„Auf dem Kirchhof? heute Abend? Sie wiffen doch
selbst, hochgeehrter Herr Bankier, daß es ist mir verboten,
nach Sonnenuntergang zu öffnen, und es ist doch heute
dazu der heilige Sabbath."
„Vorerst brauchst Du nicht zu schreien meinen Stand
hinaus in die Nacht," sagte unwillig der Bankier, „daß
jeder Trödeljud' weiß, daß der Bankier Rosenberg ge
wesen ist bei Dir. Was die Erlaubnis zum Oesfnen
betrifft, so bin ich Aeltester und gebe sie. Ich werde
warten hier, bis das Gebet ist zu Ende."
„Wollen Sie nicht die Gnade haben einzutreten unter
mein schlechtes Dach?"
„Rein! eile Dich und hole den Schlüssel!"
„Cr hängt hier hinter der Tür."
„Desto besser, dann braucht die Gesellschaft da
drinnen nicht zu wissen, was wir getan. Such' einen Vor
wand, damit das neugierige Volk mir nicht kommt aus
den Hals!"
Der Pförtner verschwand in das Innere, kehrte aber
bald mit einem Schlüsselbund zurück und schloß das
Pförtchen neben dem Torweg auf. Cr hatte eine La»
texne mitgenommen und wollte sie anzünden.
„Laß sein!" sprach die tiefe Stimme des Rabbi.
„Ich brauche kein Licht. Schließ die Tür von innen!"
„Aber Herr von Rosenberg . . . ."
„Schließe, sage ich Dir!"
Der Pförtner gehorchte nicht ohne eine Regung des
Mißtrauens.