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Wer kennt nicht die prächtige Prager Brücke, die
von der Altstadt hinüber nach dem Hradschin führt, oder
hat nicht wenigstens davon gehört?
Auf sechzehn Doppelbogen spannt sich die Brücke
mehr als 150 Fuß lang über die in der Tiefe rauschende
Moldau, die Altstadt mit der Kleinseite und dem Hrad-
fchin verbindend.
Der Menschenstrom, welcher stets diese ebenso
interestante als schöne Stelle des Böhmer Landes belebt,
füllte auch an diesem Abend die breiten Granittrottoirs
und die Aussprünge der Vogen mit ihren Bänken und
Steinbildern — hin- und herwogend, eine unendliche
bunte schillernde Schlange, Bürger, Soldaten, Fremde,
Landleute, Geistliche und Arbeiter, die von einer Seite
des Flusies zur anderen zogen, oder zur Erholung an dem
schönen Abend zu dem prächtigen Garten der Moldau-
Znsel wanderten.
Von den Türmen der Stadt schlugen die Glocken
10 Uhr; in dem Halbrondel, in welchem die Statue des
heiligen Nepomuk steht, an derselben Stelle, von welcher
König Wenzel, — wahrscheinlich weil Offenbach damals
noch nicht sein bekanntes Couplet der schönen Helena für
die Ehemänner geschrieben hatte, — den verschwiegenen
Beichtvater in die Fluten der Moldau stürzen ließ, —
saß auf der Steinbank ein Mann von großer, schlanker
Gestalt, dem das ernste bleiche Aussehen mit der kahl
werdenden Stirn, die Folge der vielen am Studiertisch
durchwachten Nächte, offenbar mehr Jahre gab, als er
wirklich zählte. Das große hellblaue Auge mit dem etwas
starren Blick schaute aufmerksam aus die vorüberziehende
Menschenmenge, als suche es unter den Hunderten eine
bestimmte Figur und könne sie immer noch nicht finden.
Das Gesicht des Wartenden zeigte zwar den ger
manischen Typus mit seiner physischen Krasst aber drese
Kraft gleichsam vergeistigt durch große Fähigkeiten und