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des Herrn wird kommen wie ein Dieb in der Nacht.
Gerade dann, wenn ihn niemand erwartet und die
schlagenden und quälenden Mitknechte sagen: „Unser
Herr kommt noch lange nicht!" Ja, er kommt, ehe sie
sich's versehen. Und dann wehe ihnen! Kindlein, es ist
die letzte Stunde. In der ersten gab's Riesen, gewaltige
Leute. Jetzt aber gibt's Genies, die gewaltig herrschen
und mit Verachtung auf die Christen herabsehen. Aber
das Blatt wird sich bald wenden. Und ihre weichen
Sofas, worauf es ihnen so wohl war, werden leer
stehen; Flammen und Motten werden sie verzehren.
*
Wo doch wohl die Herren Geheimen Räte Joseph
und Nikodemus das Herz hernehmen, den erblaßten
Körper des Erlösers so öffentlich vom Kreuz zu nehmen
und zu begraben? — Im Grunde hatten sie nichts
zu fürchten; denn wenn nur Christus tot ist, so
läßt man ihn hernach einen guten Mann sein.
Mit uns aber, meine Lieben, verhält sich's ganz
anders. Wir behaupten kühn und frei seine Würde.
Und da möchten unsere Pharisäer, Sadduzäer und
Schriftgelehrten aus der Haut fahren.
Jetzt sieht man überall, daß der eigentliche Groll
des Fürsten der Finsternis gegen Christum vorzüglich
sein Königreich im Auge hat. Er will überall selbst
durch seine Diener herrschen. Daß man aber die
Menschen nie anders vollkommen beherrschen kann als
durch duldende Liebe, davon hat er keinen Begriff.
Folglich kann er auch nie siegen. Und der von ihm
und seinen Werkzeugen verspottete Christus ist und
bleibt der König der Menschen, und trotz allen Ferscn-