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Und diese Liebe, die da stärker ist als Tod und Hölle,
hilft ihm nun vollends siegen und überwinden. Wo
die Sünde mächtig ist, da ist doch die Gnade viel
mächtiger geworden. Was sollen wir nun hierzu
sagen? Sollen wir denn in der Sünde beharren?
Sollen wir Rebellen, Ungläubige, mit einem Wort
erst Luziferantcn werden, um uns hernach zu be
kehren und so die Gnade gegen und in uns zu er
höhen, um desto mehr Freude im Himmel zu ver
ursachen? Das sei ferne! Auf die Weise mag
ich meines Orts die Freude der Seligen nicht ver
mehren.
Zwei sehr widerwärtige Kräfte wirken just (ge
schrieben Ende des 18. Jahrhunderts) und bringen
eben die heftigste Gärung hervor. Auf der einen
Seite Drang und Eifer für die Religion, und auf
der anderen Seite Drang und Eifer wider dieselbe.
Beiden Kräften bahnte die Leibnitzisch-Wolfische Philo
sophie den Weg. Der höchst gefährliche und höchst
nützliche Grundsatz: daß man nichts glauben muß,
als was Erfahrung und Vernunft untrüglich beweisen,
gibt dem Religionszweifler einen festen und sichern
Tritt auf dem Wege zur Verwirrung und zur äußer
sten Ungewißheit und dem gutartigen Christen in
seiner Bibel- und Religionsforschung das herrlichste
Mittel an die Hand, das lautere, reine und einfältige
Licht der Wahrheit von allem schwärmerischen Glast
und Irrlichtern zu reinigen. Hier gilt das Motto:
„Mittelmaß die beste Straß".
Die christliche Religion ist unter allen cristierenden
die beste. Wer sie also verläßt, der muß eine noch
bessere erfinden, die noch nicht existiert. Und das