Full text: Heimweh: eine Auswahl aus Jung-Stillings Werken mit biographischer Einleitung

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Denn es ist eine gewiste Erfahrung, daß auch der 
Vernünftigste zwar tausend- und tausendmal sich vor 
nimmt, der Vernunft und der Wahrheit zu folgen, 
und ebenso manchmal folgt er doch seiner Empfin 
dung. Ein vollkommen richtiges, durch wahre 
Frömmigkeit aufgeklärtes und mit der Empfin 
dung des Herzens ganz übereinstimmendes Ge 
wissen gebiert den hohen Gottesfrieden, der 
über alle Vernunft ist. 
In seinem trefflichen Buche „Theobald oder die 
Schwärmer", Las auch heute noch namentlich jungen Leuten 
als recht lehrreiche Lektüre empfohlen werden kann, sagt Jung» 
Stilling zum Schluß: 
Der Zweck des Buches war der: ich wollte den 
seligen Mittelweg zwischen Aberglauben und Un 
glauben zeigen, und ich glaube, meine Pflicht erfüllt 
zu haben. Heutzutage ist nichts schädlicher als Schwär 
merei. Denn diese befördert den Unglauben außer 
ordentlich. Gesunde, reine, vernünftige Ncligions- 
begriffe müssen von allen Männern, die Krait dazu 
fühlen, gelehrt und gepredigt werden. Die Offen 
barung Gottes an die Menschen muß dazu die 
Grundlage abgeben. Und dann werden Aberglaube 
und Unglaube schwinden, und die Wahrheit wird 
endlich ohne Zweifel siegen. 
Die wahren,eigentlichen Christen fallen demPublikum 
nicht ins Auge. Sie sind unter alle Stände und alle 
Menschenklassen zerstreut. Sie machen kein Geschrei 
und wenig Worte. Sie lassen beständig durch gute 
Handlungen ihr Licht leuchten. Sie zeichnen sich 
weder durch Kleidung noch durch einen besondern 
Wandel vor andern Menschen aus. Sie sondern sich
	        
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