Full text: Heimweh: eine Auswahl aus Jung-Stillings Werken mit biographischer Einleitung

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liebt, die Hand führt. Wer sich selbst kennt, der weiß, 
daß der Egoismus alles verdirbt und daß bloß die 
an Gott übergebene Demut wohltätig wirken könne. 
Was heißt eigentlich geistlich arm sein? Es 
heißt: empfinden, daß es uns an Verstand und Herz 
noch mangele, daß man noch ganz arm an Kennt 
nissen und an der Liebe zu Gott und dem Nächsten sei. 
Demut verhütet alle Kälte im Umgang; und sie 
allein ist die Mutter der wahren Liebe. 
Der Stolz ist der Stammvater der Sünde. Sein 
Weib ist die Schlange. Ihr Sohn der Neid. Und der 
Mord ist ihr Enkel. Die Sünde ist eine Melusine, ein 
schönes Weib mit einem Drachenscbweif. Die Sinnlich 
keit ist ihr Kammermädchen und ihre Kupplerin. Wer 
mit dieser buhlt, dem lagert sich jene vor die Tür. Und 
ehe er sichs versieht, ist er ibr Sklave. Kämpfe bis 
aufs Blut, damit du dieses Otterngezüchtes los wirst. 
Der Christ reiset fast immer inkognito. Niemand 
sieht's ihm an, was unter dem groben Bettlersmantel 
steckt. Das tut aber auch nichts. Wenn er ihn nur 
hübsch rein und sauber hält. 
Wer donnert mit dem ersten Blitzstrahl den mäch 
tigsten Feind darnieder? Wer erobert ohne Wider 
stand Königreiche im Reich Gottes? Wer ist's, dem 
jeder auf den ersten Wink gehorcht oder dem jeder 
Widerstand Ohnmacht ist? Welcher Seraph ist stärker 
als Tod und Hölle? Stärker sogar als der Zorn des 
Allmächtigen? — Antwort: Der Geist der Liebe! 
Wenn auch die christliche Religion kein anderes 
Verdienst hätte als dieses, daß sie die Menschen von 
den entferntesten Ecken der Erden zusammen in ein
	        
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