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Vorstellungen aufgepflanzt. Diese waren von Hause aus darin.
Es kann höchstens behauptet werden, dass die Rosenkreuzer
diesen Ideen eine ausgesprochen christliche Färbung gegeben
haben. Dies ist in der Tat der Fall, denn die Chymie bei
ihrem vollkommen internationalen Charakter, bei ihrer gleich
zeitigen Pflege im Morgen- wie im Abendlande, war ursprüng
lich — trotz ihrer religiösen, tiefsittlichen Grundlage — inter
konfessionell. Und auch die Mystik brauchte nicht erst von
den Rosenkreuzern in die Chymie hineingetragen zu werden;
war diese doch von Flause aus mit jener sattsam durchtränkt,
da es sich ihrem ganzen Wesen nach ja um ein Problem
handelte, welches der gemeinen Erfahrung und Einsicht wider
sprechend die von der Natur anscheinend gesetzten Schranken
niederriss und sich ins scheinbar Uferlose verlor.
III. Kapitel.
Geschichtliche Übersieht bis zur »Fama«.
Haben wir im vorstehenden uns der Hauptsache nach in
den Bahnen einer Milieuschilderung bewegt, so wollen wir
jetzt an der Hand einer historischen Übersicht die Entwicklung
der Rosenkreuzerei aus den Reihen und Gruppen chymischer
Philosophen verfolgen. Wir schliessen uns dabei an die Zu
sammenstellung an, welche Dr. Joh. Salomo Semler, Professor
in Halle, in seinem Werk: Unparteiische Sammlung zur
Historie der Rosenkreuzer, Leipzig, bei Georg Emanuel Beer,
1786, gibt. So unschätzbar wie Semlers Werk als Geschichts
quelle ist, so können wir seinen persönlichen Standpunkt doch
nur in beschränktem Masse teilen. Zunächst ist Semler ein
prinzipieller Feind aller geheimen Verbindungen und sodann
ein überzeugter Alchymist. Er behauptet selbst von sich, er,
der Ordinarius von Halle im Jahre 1786, in seinem eigenen
Hause von ihm selbst erzeugtes chymisches Gold zu besitzen.
Und da er die Chymie nur als Liebhaber in seinen Musse-
stunden, ganz ohne Beziehung zu irgend welcher Gesellschaft
studiert und beherrschen gelernt hat, so erbost er sich darüber,
dass es eine Fraternität wage, sich gewissermassen als die
patentierte Inhaberin dieser Geheimnisse zu gebärden. Ausser
dem liegt ihm, dem ausgesprochenen Realisten und Verstandes
menschen das ganze Gebiet des Mystischen, alles dessen, was
das Rosenkreuzertum als Symbolik erfüllt, so vollkommen fern,
dass ihm jedes Verständnis dafür fehlt, und er es, ohne seine
Ungerechtigkeit selber gewahr zu werden, als Schwärmerei
und Schwindel abtun zu dürfen glaubt. Kommt noch hinzu,