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seitens dieser nach Herausbildung des Rosenkreuzerordens
wieder eine neue Beachtung und Pflege anderer Art zu finden.
Der Umstand, dass in der ersten Zeit die geheime Chymie
im Abendland vorzüglich in den Klöstern kultiviert wurde,
neben der schon eingangs bemerkten Tatsache, dass sich die
Arbeit am Stein der Weisen im allgemeinen Bewusstsein auf
einer religiösen Basis aufbaute, lässt es uns daher nicht ver
wunderlich erscheinen, wenn die älteren chymischen Philo
sophen in einem ausgesprochen christlichen Gewände vor uns
auftreten. Hierbei stützen wir uns freilich am allerwenigsten
darauf, dass wir die chymischen Autoren mit Vorliebe die Bibel
anziehen sehen, denn diese hat von jeher mystischen After
künsten, magischen und kabbalistischen Praktiken als Grund
lage dienen müssen, also Dingen, die mit dem eigentlichen
Christentum absolut nichts zu tun haben.
Aus dem stillen Klosterfrieden entwichen und durch den
Schutz hochmögender Kirchenfürsten nicht mehr gedeckt, hatte
die chymische Kunst in der Welt einen schweren Stand. Zwar
sahen wir Englands König einzelnen Alchymisten Freibriefe
behufs Ausübung ihrer Kunst ausstellen, doch blieb dies immer
eine ziemlich vereinzelte Erscheinung. Und wenn auch die
allgemeine Weltlage eine Gesellschaftsbildung im grossen und
ganzen förderte bezw. zur Notwendigkeit machte, so bezog
sich dies doch mehr auf Schutzgemeinschaften lokaler Art, und
nicht auf die Entwicklung von Verbänden, welche bei der
Seltenheit der einzelnen Chymisten nur hier und da, an diesem
oder jenem Orte, das eine oder das andere Mitglied hätte zählen
können. Und dennoch entwickelten sich, nicht zum wenigsten
dank der Erfindung der Buchdruckerkunst, solche Sozietäten.
Das, was wir heutzutage im guten Sinne Patriotismus, im bösen
Sinne Chauvinismus nennen, war in der uns beschäftigenden
Zeit noch nicht bekannt. Die gemeinsame lateinische Sprache
und Schrift machte zumal im Gebiet der Wissenschaft damals
die abendländische Welt in einem gewissen Sinne internatio
naler, als wie sie es gegenwärtig ist, trotz unseres hochent
wickelten heutigen Verkehrs und unserer modernen technischen
Plilfsmittel. So dürfen wir, wie wir dies schon für Italien und
die Niederlande nachgewiesen haben, auch die gleichzeitige
Entstehung von Gesellschaften in Deutschland, Frankreich,
England u. s. w. annehmen. Jedenfalls bestanden um das Jahr
1620 in Deutschland bereits mehrere »Kollegien« oder rosen
kreuzerische »Logen«. (Vergleiche 2. Vorrede zum »Echo an
die Rosenkreuzer«, 1597, Fludds »Apologie der Rosenkreuzer«,
handschriftlich 1597, gedruckt 1619, und »Echo«, Danzig, 1620.)
Genaueres hierüber zu ermitteln, hält natürlich ungeheuer
schwer, da es sich doch um geheime Verbände handelte.
Sowohl die einzelnen Laboranten als auch diejenigen, welche