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wort sagt, sind zollfrei, sind schwer zu fassen, überhaupt aber
nur nach dem Eindruck zu beurteilen, den sie auf die Zeitver
hältnisse, auf Lebende gemacht haben. Und wenn diese Leben
den, welche die Wissenschaft vor ihr Forum zitieren müsste,
nun gar absichtlich ihre Gedanken geheim gehalten haben, da es
sich bei der Rosenkreuzerei um eine g eh ei m e Gesellschaft handelt,
— wenn ferner die wenigen öffentlichen Kundgebungen, wel
che überhaupt existieren, mit Berechnung unwahr oder wenig
stens nur halbwahr abgefasst sind, —• wenn ferner im Wesen
der in Frage stehenden Ideen der Umstand begründet liegt,
dass eine Wahrheit nie direkt, sondern auch nicht da, wo man
sie mitteilen und verbreiten wollte, nur symbolisch angedeutet
werden durfte, und wenn ausserdem noch durch die ganze
Geschichte der Rosenkreuzer sich der Missbrauch der rosen
kreuzerischen Ideen und Einrichtungen seitens Unberechtigter
hinzieht, und wenn wir schliesslich in der Rosenkreuzerei nicht
ein geschlossenes Ideensystem vor uns haben, sondern ent
sprechend der oben schon erwähnten Komplexität unseres
Gegenstandes geradezu ein Chaos von Gedanken und Vor
stellungen, dann begreift sich einigermassen die Schwierigkeit,
mit der es verbunden ist, über die Rosenkreuzerei in ihrer
Entstehung und Entwicklung eine der Wirklichkeit ent
sprechende klare Übersicht zu geben. Auch auf den Umstand,
der für die älteren Dokümente nicht ohne Wichtigkeit ist, möchte
ich gleich hier hin weisen, dass nämlich das Jahr der Druck
legung derselben keineswegs identisch ist mit dem Jahr der Ab
fassung, ja selbst nicht einmal mit dem Jahr der Erscheinung
in der Öffentlichkeit. Befinden wir uns beim Beginn unserer
Untersuchungen doch erst im Zeitalter der sich entwickelnden
Buchdruckkunst. Denn fällt auch der erste Bibeldruck durch
Gutenberg und Fust schon in das Jahr 1450, so blieb doch in
der Folgezeit die Errichtung von Offizinen fürs erste immer
noch eine beschränkte. Noch im Jahre 1553 konnte es Servet
nur nach langen vergeblichen Bemühungen durchsetzen, dass
sein Buch: »Wiederherstellung des Christentumes« zum Druck
gelangte. So haben denn auch manche der unseren Gegen
stand betreffenden Schriftstücke erst Jahre lang handschriftlich
zirkuliert, ehe sie durch den Druck festgelegt wurden. Hier-:
durch aber waren zahlreiche Veränderungen, Zusätze, Strei
chungen nach Zufall, Laune und Absicht der betreffenden Ab
schreiber möglich und unausbleiblich. So wäre z. B. eine
Textkritik eine wissenschaftliche Forderung unbedingt not
wendiger Art für sich. —
Ich will nun in Kürze angeben, wie man für gewöhnlich
die Geschichte der Rosenkreuzer in den Enzyklopädien ein
geteilt und angegeben findet. Entsprechend der Tatsache, dass
es sich bei der Rosenkreuzerei um einen Gedankenzyklus und