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jener Epoche zunächst neue Wirren heraufbeschworen. Die
Macht des Krummstabs, unter dem sich, wie das Sprichwort
sagte, gut leben liess, wenn man nur nach aussen fromm ein
Kreuz zu schlagen wusste, war freilich ein wenig beschnitten,
aber fast nur so viel, als andererseits die Schranken einer
neuen Orthodoxie aufgerichtet worden waren. Das Evangelium
der Liebe, weit entfernt, das Menschengeschlecht zur Duldung
und zur Sanftmut zu erziehen, schritt damals waffenklirrend
durch die Welt. . Nicht nur bekämpfte Rom die Ketzer mit
Feuer und Schwert, nicht nur widersetzten sich diese mit In
brunst und Leidenschaft dem römischen Antichristen, sondern
die Evangelischen, unter sich uneins, zerfleischten sich im
Paroxysmus religiöser Rechthaberei. Blutig stiessen Calvinisten
mit Zwinglianern zusammen, und evangelische Unduldsamkeit
schuf Ketzergerichte, die den römischen in nichts nachstanden.
Der Scheiterhaufen, auf dem der edle Servet am 27. Oktober 1553
unter unsäglichen Qualen (man hatte nasses Holz genommen)
als Häretiker sein Leben aushauchte, war nicht die vereinzelte
traurige Verirrung eines lokalen Fanatismus, sondern diese
Schandtat entsprach ganz und gar dem unduldsamen Zeitgeist
und war ausdrücklich von Melanchthon z. B. gebilligt worden.
Aber nicht nur das religiöse, auch das politische Leben
war erfüllt von Hass und Blut. Noch herrschte die Zeit des
Kampfes Aller gegen Alle, die Zeit des Faustrechts. Und
wenn auch der »Landfriede« verkündet war, dass diesem nicht
so recht zu trauen war, hat uns Volkesmund bis auf den
heutigen Tag aufgehoben. Hier stehen im Vordergrund Männer
wie Franz von Sickingen, Götz von Berlichingen, Ulrich von
Hutten, Grumbach, Georg Frundsberg u. a. Aber auch ein
Hervortreten ganzer .Schichten der Bevölkerung, entsprechend
der Entwicklung des sozialen Gedankens, gewähren wir in
der Erhebung des Bauernstandes, den sogenannten Bauern
kriegen. Dabei blühten in allen deutschen Landen die Hexen
prozesse. Katholiken und Protestanten wetteiferten in blindem
Wüten, möglichst viele Opfer der Folter und dem Feuertode
I zuzuführen.
Und doch trotz all dieser Greuel und dieser offensichtlichen
Rückständigkeit im einzelnen ging ein befreiender Geist durch
die Lande. Wir verstehen es, wie eine Natur, die dem Kampf
und Streit als freudige Kraftbetätigung nicht abhold war, eine
Natur, wie die des Ulrich von Llutten, in die Worte ausbrechen
konnte: »Es ist eine Lust zu leben!« War die Wissenschaft
auch durch das absolute Vorherrschen der Theologie der Haupt
sache nach einseitig, so kamen doch unter der Pflege prote
stantischer Universitäten und der Fürsten die Philosophie und
Jurisprudenz nicht ganz zu kurz. Auch die Astronomie, damals
von der Astrologie noch nicht geschieden, fand in Kepler