Die Herbst- und Wintcrmonate des ersten Kriegsjahres
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bekümmert um die Beachtung internationaler Vorschriften.
Das hielt England aber nicht ab, später große Beschwerde zu
erheben, als auch wir uns nicht mehr gebunden fühlten und
mit sehr viel mehr Berechtigung gegen solche Lazarettschiffe
vorgingen, mit denen unter Deckung durch die Rote-Kreuz-
Flagge offenbarer Mißbrauch für Truppentransportzwecke ge
trieben wurde. Im „Audacious"-Fall kann man das Ver
halten, dem Gegner eine Schwäche nicht zu offenbaren, nur
billigen, weil die richtige Kenntnis der feindlichen Stärke für
die Entschließungen des Feindes wichtig ist.
Der völlige Verlust der 7. Halbflottille wurde sehr schmerz
lich empfunden, und es hat dem Flottenkommando gegenüber
deshalb nicht an herber Kritik gefehlt, daß es nicht die nötige
Bedeckung gesandt habe. Dem ist entgegengehalten worden,
daß dann die Grenze für die Bemessung eines ausreichenden
Schutzes schwer zu finden sei. Beurteile man solche einzelnen
Fälle rückwürtsschließend, wie z. B. in diesem Falle derart,
daß schon zwei Kreuzer uns eine Überlegenheit gesichert hätten,
so führe solche Betrachtungsweise doch auf einen Irrweg, denn
man könne nicht vorher wissen, wie stark der Feind sein wird,
und müsse folgerichtig dann jedesmal die gesamte Flotte auf
bieten, wenn man sicher gehen wollte. Außerdem bedingt das
Wesen des Krieges „Wagen". Auch in dem Moltkeschen Wort
„Erst wägen" kommt das zum Ausdruck. Der Fehlschlag be
leuchtete andererseits den Wert, der für unsere Kriegführung
später in dem Stützpunkt an der flandrischen Küste lag, von
wo aus solche Unternehmungen sehr viel leichter auszuführen
waren und auch tatsächlich zu einer dauernden Beunruhigung
der englischen Hauptverkehrsstraße im Kanal geführt haben.
Im Oktober waren die feindlichen U-Boote vor der Ems
und in der inneren deutschen Bucht sehr rege. - Es verging
kaum ein Tag, an welchem nicht Meldungen vom Sichten
feindlicher U-Boote vorlagen. Wenn dabei auch manchmal
Täuschung vorgelegen haben mag, so wurde ihre Anwesenheit