Die Seekriegsleitung
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nach Kiek entsandten Abgeordneten konnten eine dauernde
Beruhigung der Lage nicht erzielen, ebensowenig der jetzt vorn
Reichskanzler veröffentlichte Erlaß Sr. Majestät des Kaisers
vom 28. Oktober, der die völlige Übereinstimmring mit der
Regierung bekunden sollte. Ein energisches Vorgehen gegen
die Rädelsführer, welches im Anfang vielleicht noch Erfolg
versprochen hätte, konnte nunmehr nur noch durch starke
Sicherungstruppen, die vom Kriegsministerium aufgeboten
wurden, erzielt werden. Aber die Truppen erwiesen sich als
unzuverlässig und erschienen auch nicht in genügender Stärke,
um den erhofften Einfluß auszuüben.
Über die Einzelheiten des Aufruhrs, der bald darauf in
allen Marinestandorten aufloderte, habe ich keine amtlichen
Berichte mehr erhalten, da die Befehlsgewalt den militärischen
Vorgesetzten entrissen wurde. Die Anweisung der Seekriegs
leitung an die Befehlshaber, Schiffe mit der roten Flagge als
Piraten in den Grund zu bohren, kam nicht zur Ausführung.
Sie hätte aber solchen Führern, die im Zweifel über ihr Ver
halten sein konnten, sofern sie noch die Macht dazu besaßen,
eine Richtschnur gegeben. Nur ein entschlossenes Eingreifen
der an Ort und Stelle befindlichen obersten Befehlshaber war
imstande, die Lage zu retten. Ob es daran gefehlt hat oder
die Folgen der Bewegung unterschätzt wurden, muß ich dahin
gestellt sein lassen: erst die Geschichte der Revolution wird volle
Aufklärung bringen. Die Übeltäter, welche sich
zum Werkzeug i h r e r B e st r e b u n g e n d i e F l o t t e
aussuchten, haben sich schwer am d e u t s ch e n
Volke versündigt. Sie entwanden ihm die
Waffe, die in e n t s ch e i d e nd e r S t u n d e uns vor
de ni Schicksal hätte bewahren können, das
jetzt unerträglich auf uns lastet.