Full text: Sir John Fortescue: de Laudibus Legum Angliae: ein Gespräch aus dem 15. Jahrhundert über die Vorzüge des englischen Rechts

richtung und Berufungsart des englischen Parlaments kennen, genauer angeben mögen’). Wenn 
aber die mit solcher Feierlichkeit und Vorsicht erlassenen Gesetze zufällig nicht von solcher Wirk- 
samkeıt sınd, wie es die Gesetzgeber beabsichtigen, so können sie leicht verbessert werden, und 
zwar immer mit Zustimmung der Gemeinen und der Lords dieses Reichs, durch die sie.ursprünglich 
zu stande gekommen sind. -— Nun, mein Prinz, liegen‘ alle Arten der englischen Gesetze offen vor 
Euch, Ihr könnt also aus eignem Urteil und durch Vergleich. mit. anderen Gesetzen ermessen, ob 
dieselben gut-sind. Wenn. Ihr aber keine von gleicher Vortrefflichkeit auf der Weit findet, so 
müfßst Ihr zugeben, dafs :sie nicht nur gut, sondern die wünschenswertesten sind, die.es giebt. 
Kapitel XIX. 
Es bleibt noch zu untersuchen, ob die englischen Gesetze für England ebenso nützlich 
ınd wirksam sind, wie‘ die Civilgesetze für das römische Reich. Vergleiche sind immer gehässig, 
habt Ihr selbst einmal gesagt, darum will ich keinen anstellen. Ob eine und welche Art vom 
Gesetzen den‘ Vorrang verdiene, möget Ihr, statt‘ aus meinem Urteil, aus denjenigen Punkten ent- 
nehmen, in welchen die Grundsätze derselben von einander abweichen. Wo sie übereinstimmen, 
sind sie gleich lobenswert; in den Abweichungen treten die Vorzüge durch angemessene Erwägung 
hervor. Ich möchte Euch daher einige solcher Punkte anführen, und greife zunächst einen sehr 
wichtigen heraus. N 
i Kapitel XX. har 
Wenn ein Rechtsstreit vor dem Richter ausgetragen wird, und es komm, zur Ergründung 
Jes Thatbestandes, welchen die im englischen Recht Erfahrenen den streitigen Punkt im Prozefs 
(issue of the plea) nennen, so wird diese Frage im Civilrecht entschieden durch die Aussagen von 
Zeugen, und zwar gelten zwei Zeugen für ausreichend. Aber nach den Gesetzen Englands gilt 
zine Thatsache nicht als erwiesen, wenn sie nicht von zwölf Männern aus der Nachbarschaft des 
Thatortes beschworen wird?). Nun fragt sich; welches Verfahren das vernunftgemäfsere und zur 
Entwicklung der Wahrheit geeignetere ist. Dasjenige Gesetz ist doch gewifs dem andern vorzuziehn, 
welches den besten und sichersten Weg einschlägt, die Wahrheit zu finden, Danach wollen wir 
sie prüfen. 
Kapitel XXI 
Nach dem Verfahren des Civilrechts mufs die Partei, welche in einem Prozefs etwas be- 
hauptet, ihre Zeugen beibringen, die sie nach Belieben wählen kann. Eine Verneinung kann nicht 
1) Das Parlament umfalste unter Heinrich VI. die drei gesonderten Stände des Klerus, der Barone und 
der Gemeinen; in jedem derselben schwankten die Berufungen noch nach dem Ermessen des Königs. In normaler 
Zusammensetzung gab es etwa 48 Prälaten, 40 bis 50 Barone, 74 Grafschaftsritter und 150 bis 200. städtische 
Vertreter. Durch das Steuer-Bewilligungsrecht hatten die Gemeinen Einflufs auf die Gesetzgebung erlangt; diesen 
übten sie änfangs durch Beschwerden und Petitionen; uhter Heinrich VI. kam der Gebrauch auf, dafs die Vor- 
schläge. gleich in die Form von Gesetzentwürfen gekleidet wurden. Auch das Wahlrecht in den Grafschaften wurde 
unter. Heinrich Vl. geregelt, und zwar dahin, ‚dafs nur Freisassen mit 40 sh. jährl. Einkommen wählen durften, 
2) Bei den Angelsachsen war der herkömmliche Beweis der durch zwölf Eideshelfer, welche den Eid des 
Verklagten durch ihr Leumundszeugnis unterstützten, und in Ergänzung dazu das Gottesgericht, meist "die Feuer- 
oder Wasserprobe. Die Normännen setzten den Zweikampf an Stelle des Gottesgerichts, bis unter Heinrich II, 
das System vereidigter Beweiskommissionen von zwölf Nachbarzeugen, ‚als Vorläufer des. Geschworenengerichts, 
Jiesen mehr uud mehr verdrängte. —. Die Erhebusg der Anklage fiel dabei anfänglich den einzelnen Hundert- 
schaften zu, bis eine grofse Anklagejury der ganzen Grafschaft dieses Geschäft für alle darin enthaltenen Hundert, 
schaften übernahlh:“
	        
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