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bewiesen ‘ werden, . wenigstens. nicht direkt, wenn es auch indirekt möglich ist. Nun mufs ein
Mensch von. ungewöhnlich geringem Einfluls und von noch geringerer Umsicht sein, wenn er nicht
aus dem Kreise ‚seiner Bekannten oder aus der Gesamtheit der Menschen zwei finden kann, die
gewissenlos und treulos genug sind, um aus Zuneigung oder Furcht, um Geld oder Vorteil, bereit sind,
etwas Falsches auszusagen. Daher kann eine Partei, um ihre Sache zu beweisen, leicht zwei solche
aerbeibringen, und wie sehr auch die andere Partei bestrebt sein mag, gegen diese Personen und
lie Aussagen derselben Einspruch zu erheben, so werden über ihre Sitten und ihre Gesinnungen
nicht immer Thatsachen bekannt sein, durch welche es möglich ist, ihr Zeugnis zu verdächtigen.
Da ferner die Aussage affirmativ ist, ist dieselbe.stets sehr schwer durch indirekten Beweis hin-
fällig zu machen. Wer kann also seines Lebens sicher sein, unter einem Gesetz das so sehr den
Schlechten begünstigt? Und wann. wären wohl zwei Schurken so unvorsichtig, _ nicht vorher den
Sachverhalt zu besprechen, über den sie befragt zu werden erwarten, und so bis ins Einzelne zu
verabreden, dafs man ihn für wahr und richtig hält ? Sind doch, wie unser Heiland sagt, die Kinder
dieser Welt klüger als die Kinder des Lichtes. So brachte die böse Jesabel vor Gericht zwei
Zeugen vor, um Naboth anzuklagen, wodurch dieser ums Leben kam und Ahab den Weinberg
arhielt (1. Kön. 21, 7), Auch. Susanne, die tugendhafte Frau Jojakims, wäre auf das Zeugnis zweier
Greise, die sogar Richter waren, als Ehebrecherin getötet worden, hätte nicht Gott sie auf eine
wunderbare Weise gerettet. Gnädiger Prinz, Ihr selbst müfst Euch eines bemerkenswerten (vor
zinem geistlichen Gericht verhandelten) Falles entsinnen, welcher zeigt, wie sehr die Gerechtigkeit ver-
derbt sein kann, des Falles von Johannes Fringe, der, nachdem er drei Jahre Priester gewesen war,
auf seine eigne Veranlassung und auf die Aussage zweier falscher Zeugen, welche schworen, dafs
er einem jungen Mädchen die Ehe versprochen hätte, gezwungen wurde, dem Priesterstande zu
entsagen und das Mädchen zu heiraten; aber nachdem er vierzehn Jahre mit ihr gelebt und sieben
Kinder mit ihr gezeugt hatte, und -schliefslich wegen‘ Hochverrats gegen Eure Hoheit verurteilt
worden war, legte er zuletzt in Gegenwart vieler Zeugen ein Geständnis ab, dafs jene Zeugen von
ihm bestochen worden seien, und ihre Aussage gänzlich falsch und grundlos gewesen wäre. Ihr
möget von vielen ähnlichen Fällen gehört haben, in denen das Recht durch falsche Zeugen ver-
üdreht worden ist; selbst unter hochangesehenen Richtern kommen solche Fälle bekanntlich häufig
genug vor.
__ Kapitel XXW.
Aus den angeführten Gründen halten die Gesetze Frankreichs es bei todeswürdigen Ver-
brechen nicht für ausreichend, die Angeklagten durch Zeugenaussagen zu überführen, weil dadurch
Unschuldige verurteilt werden. können, Sie bringen lieber den ‚Angeklagten selbst auf die Folter,
bis sie ihr Verbrechen eingestehn, als dafs sie sich ausschliefslich auf die Aussage von Zeugen
verlassen, die gar häufig aus Vorurteil oder Leidenschaft, ‘oft auch durch Bestechung, sich des
Meineids schuldig. machen. . Unter dem Vorwande solcher Vorsicht werden also nicht nur Schuldige,
sondern auch nur. Verdächtige dort in so vielfacher Weise gemartert, dafs die Feder sich sträubt,
as zu berichten. Einige werden auf der Folter ausgereckt, bis ihnen die Sehnen reifsen und den
Adern Ströme, Blutes entquillen; andern werden Gewichte an die Füfse gehängt, bis ihre Glieder
fast auseinander gezerrt und.ihr ganzer Körper ‚verrenkt ist; wieder anderen: wird der Mund mit
einem Knebel so weit aufgerissen und eine solche Menge Wässer hineingegossen, dafs ihr Leib unförmlich
anschwillt und das Wasser in einem Strahl hervorsprudelt wie bei einem Walfisch. Die. Un-