Full text: Sir John Fortescue: de Laudibus Legum Angliae: ein Gespräch aus dem 15. Jahrhundert über die Vorzüge des englischen Rechts

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bewiesen ‘ werden, . wenigstens. nicht direkt, wenn es auch indirekt möglich ist. Nun mufs ein 
Mensch von. ungewöhnlich geringem Einfluls und von noch geringerer Umsicht sein, wenn er nicht 
aus dem Kreise ‚seiner Bekannten oder aus der Gesamtheit der Menschen zwei finden kann, die 
gewissenlos und treulos genug sind, um aus Zuneigung oder Furcht, um Geld oder Vorteil, bereit sind, 
etwas Falsches auszusagen. Daher kann eine Partei, um ihre Sache zu beweisen, leicht zwei solche 
aerbeibringen, und wie sehr auch die andere Partei bestrebt sein mag, gegen diese Personen und 
lie Aussagen derselben Einspruch zu erheben, so werden über ihre Sitten und ihre Gesinnungen 
nicht immer Thatsachen bekannt sein, durch welche es möglich ist, ihr Zeugnis zu verdächtigen. 
Da ferner die Aussage affirmativ ist, ist dieselbe.stets sehr schwer durch indirekten Beweis hin- 
fällig zu machen. Wer kann also seines Lebens sicher sein, unter einem Gesetz das so sehr den 
Schlechten begünstigt? Und wann. wären wohl zwei Schurken so unvorsichtig, _ nicht vorher den 
Sachverhalt zu besprechen, über den sie befragt zu werden erwarten, und so bis ins Einzelne zu 
verabreden, dafs man ihn für wahr und richtig hält ? Sind doch, wie unser Heiland sagt, die Kinder 
dieser Welt klüger als die Kinder des Lichtes. So brachte die böse Jesabel vor Gericht zwei 
Zeugen vor, um Naboth anzuklagen, wodurch dieser ums Leben kam und Ahab den Weinberg 
arhielt (1. Kön. 21, 7), Auch. Susanne, die tugendhafte Frau Jojakims, wäre auf das Zeugnis zweier 
Greise, die sogar Richter waren, als Ehebrecherin getötet worden, hätte nicht Gott sie auf eine 
wunderbare Weise gerettet. Gnädiger Prinz, Ihr selbst müfst Euch eines bemerkenswerten (vor 
zinem geistlichen Gericht verhandelten) Falles entsinnen, welcher zeigt, wie sehr die Gerechtigkeit ver- 
derbt sein kann, des Falles von Johannes Fringe, der, nachdem er drei Jahre Priester gewesen war, 
auf seine eigne Veranlassung und auf die Aussage zweier falscher Zeugen, welche schworen, dafs 
er einem jungen Mädchen die Ehe versprochen hätte, gezwungen wurde, dem Priesterstande zu 
entsagen und das Mädchen zu heiraten; aber nachdem er vierzehn Jahre mit ihr gelebt und sieben 
Kinder mit ihr gezeugt hatte, und -schliefslich wegen‘ Hochverrats gegen Eure Hoheit verurteilt 
worden war, legte er zuletzt in Gegenwart vieler Zeugen ein Geständnis ab, dafs jene Zeugen von 
ihm bestochen worden seien, und ihre Aussage gänzlich falsch und grundlos gewesen wäre. Ihr 
möget von vielen ähnlichen Fällen gehört haben, in denen das Recht durch falsche Zeugen ver- 
üdreht worden ist; selbst unter hochangesehenen Richtern kommen solche Fälle bekanntlich häufig 
genug vor. 
__ Kapitel XXW. 
Aus den angeführten Gründen halten die Gesetze Frankreichs es bei todeswürdigen Ver- 
brechen nicht für ausreichend, die Angeklagten durch Zeugenaussagen zu überführen, weil dadurch 
Unschuldige verurteilt werden. können, Sie bringen lieber den ‚Angeklagten selbst auf die Folter, 
bis sie ihr Verbrechen eingestehn, als dafs sie sich ausschliefslich auf die Aussage von Zeugen 
verlassen, die gar häufig aus Vorurteil oder Leidenschaft, ‘oft auch durch Bestechung, sich des 
Meineids schuldig. machen. . Unter dem Vorwande solcher Vorsicht werden also nicht nur Schuldige, 
sondern auch nur. Verdächtige dort in so vielfacher Weise gemartert, dafs die Feder sich sträubt, 
as zu berichten. Einige werden auf der Folter ausgereckt, bis ihnen die Sehnen reifsen und den 
Adern Ströme, Blutes entquillen; andern werden Gewichte an die Füfse gehängt, bis ihre Glieder 
fast auseinander gezerrt und.ihr ganzer Körper ‚verrenkt ist; wieder anderen: wird der Mund mit 
einem Knebel so weit aufgerissen und eine solche Menge Wässer hineingegossen, dafs ihr Leib unförmlich 
anschwillt und das Wasser in einem Strahl hervorsprudelt wie bei einem Walfisch. Die. Un-
	        
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