- Kapitel XXL. + ;
- Wenn ein‘ Mann wegen eines Vertrags, einer erlittenen Schädigung, oder eines Besitztitels
vor Gericht sein Recht sucht, so mufs- der Kläger; falls entweder überhaupt keine Zeugen vor-
handen gewesen, oder die vorhandenen gestorben sind, seine Klage zurückziehen, es sei denn, dafs
er unbestreitbare thatsächliche Beweise vorzulegen vermag, was selten vorkommt. Beinahe die
Hältie - aller. Prozesse wegen geistlicher Güter oder andrer- dem CGivilrecht unterworfener Besitz-
klagen. werden aus Mangel an Zeugen nicht zu Ende geführt. Kann man das nun ein Gesetz
nennen, was den verletzten Parteien so mangelhafte Rechishülfe bietet? Das: Civilrecht ‚stellt den
Satz ‚auf: „Gerechtigkeit giebt jedem das Seine‘. ‚Solch Gesetz thut:dies wahrlich nicht. ;
Kapitel XXIV.
Nachdem wir nun gesehen, welche Vorschriften die Civilgesetze zur Ermittlung des Sach-
verhalts geben, ist auseinanderzusetzen, wie die englischen Gesetze dabei verfahren. Es ist dazu
nötig, einige Dinge vorauszuschicken, deren Kenntnis das Folgende verständlicher macht. — Eng-
land ist in Grafschaften geteilt, sö wie Frankreich in Balleien. Es giebt keine Stelle in England,
die nicht innerhalb einer Grafschaft liegt. Grafschaften sind in Hundertschaften geteilt, die in
einigen Gegenden wapentakes heifsen, Hundertschaften zerfallen in Gemeinden (villae), wozu auch
Städte und Flecken gehören. Die Grenzen solcher Gemeinden sind nicht durch Mauern, Steinbauten
oder Strafsen bezeichnet, sondern durch Feldabschnitte, grofse Güter, Bauernhöfe (hamileta), Wasser-
läufe, Waldsaum und Brachland. Jedes Stück Boden liegt innerhalb einer Gemeinde, doch giebt
es oft in einer solchen bevorrechtigte Bezirke, die nicht als Teile derselben gelten. In jeder Graf“
schaft isL ein Beamter, den‘ man‘ des: Königs Sheriff (vicecomes) nennt, dieser hat aufser sonstigen
Amtspflichten alle Urteile: und Mandate der Reichsgerichte in seiner Grafschaft zu vollstrecken.
Sein Amt ‚dauert ein Jahr, nach dessen Ablauf er auf zwei Jahre nicht wieder ernannt werden
kann. Das Verfahren bei seiner Ernennung ist folgendes. Jedes Jahr am Tage nach dem Aller-
seelenfest kommen im‘ Schatzamtsgericht alle Mitglieder des Königlichen Rates, geistliche und
weltliche Lords, dazu die Reichsrichter, die Barone des Schatzamts, der Versteher der Reichskanzlei
‘Master ’of the Rolls) und gewisse andere Beamte zusammen, dann beschliefsen sie gemeinsam, Je
drei Ritter oder Herren (esquires), Leute von Ansehn aus der Grafschaft, zum Sheriffamt für‘ das
nächste .Jahr vorzuschlagen; und der König wählt je einen der drei Vorgeschlagenen aus. Dieser
wird dann durch königliches Patentschreiben für das folgende Jahr Sheriff seiner Grafschaft. Aber
bevor er seine Bestallung erhält, mufs er auf das Evangelium schwören, dafs er während des Jahres
sein Amt nach Gebühr, in Treue und ohne Ansehn der Person üben, und unter keinem Vorwande
von irgend einem andern: als des Königs Majestät etwas annehmen wolle!). Nachdem wir dies
vorausgeschickt, wollen wir nun zu unsrer Untersuchung zurückkehren.
Kapitel XXV.
Sobald die Parteien in den Reichsgerichten bis zur Feststellung des streitigen Punktes
bezüglich des Thatbestandes gekommen sind, so schreiben die Richter im Namen des Königs an
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. 7) Die parteiliche Ausübung des Sheriffamts, namentlich bei der Bildung der Jury und bei den Parla-
entswahlen, ebenso auch Erpressungen seitens des Sheriffs waren eine beständig wiederholte Klage, die Bestechung
des Sheriffs ein allgemein übliches Verfahren, — Ebenso ist auch im 15. Jahrhundert im englischen Gerichts-
verfahren die Folter oftmals zur Anwendung gelangt, wenn auch nur auf besonderes königliches Geheifs oder heimlich.