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ihr Eigentum nicht zu Grunde richten lassen wollen!), Ist also dieses Verfahren zur Ermittlung
der Wahrheit nicht besser und wirksamer als das der Civilgesetze? Hier wird keinem Rechtshülfe
versagt aus Mangel an Zeugen; die Geschwornen sind angesehene Männer, nicht gedungene Leute,
nicht von gemeinem Stande, nicht Fremde, nicht Menschen von verdächtigem Ruf, deren Verhält-
nisse und Gesinnungen man nicht kennt, sondern Männer aus der Nachbarschaft, unabhängig, ge-
achtet; nicht von den Parteien geladen, sondern von einem hohen und gerechten Beamten ernannt
und bei Strafe genötigt zum Prozefs zu erscheinen. Sie sind mit den Vorgängen bekannt, die
die Zeugen erwähnen, sie kennen auch die Denkweise, die Eigenheiten und den Ruf jedes Zeugen.
Was fehlt hier noch? Wahrlich, auf diese Weise kann nichts, was zur Aufdeckung des Sachverhalts
dient, irgendwie verborgen bleiben, soweit überhaupt in menschlichen Dingen die Wahrheit zu
erkennen möglich ist.
Kapitel XXVI.
Es ist nun aber auch notwendig, dafs wir untersuchen, wie die englischen Gesetze in
Criminalfällen die Wahrheit ermitteln. Wenn irgend jemand, der beschuldigt ist, in England ein
todwürdiges Verbrechen (freason or felony) begangen zu haben, seine Schuld vor Gericht leugnet
(if he pleads not guilty), so sendet der Sheriff der Grafschaft, in welcher die That begangen ist, vier-
undzwanzig gute und gesetzliche Männer?) aus der Nachbarschaft, und zwar solche, die in keiner
Weise mit dem Angeklagten in Beziehung stehn, deren Einkommen aus Landbesitz oder Pacht
jährlich mindestens 100 sh.®) beträgt, um vor dem Richter betreffs der Schuld des Angeklagten
die Wahrheit festzustellen. Wenn sie vor Gericht erscheinen, kann der Angeklagte Einspruch in
der Weise gegen sie erheben, wie es oben bei den Realklagen beschrieben worden ist. Aufserdem
kann der Angeklagte, weil es um Leib und Leben geht, noch einzelne Personen bis zur Gesamtzahl
von 35 zurückweisen, die, welche er am meisten fürchtet; ihre Namen werden dann aus der
Liste gestrichen oder so gekennzeichnet, dafs sie, wie der Rechtsausdruck lautet „nicht über ihn
gehen” (super eum non transibunt, vgl. Magna Carta 39). Dieses Recht steht ihm unbedingt zu
‘peremptory challenge), ohne dafs er einen Grund für seinen Einspruch anzugeben braucht, und
solch Einspruch darf nicht zurückgewiesen werden‘). Kann nun wohl ein Mensch in England
unverdient eines Verbrechens wegen den Tod erleiden. während ihm, zur Sicherung seines Lebens,
1) Das bekanntlich noch heute aufrecht erhaltene Erfordernis der Kinstimmigkeit ergab sich aus der
ursprünglichen Stellung der Geschworenen als Nachbarzeugen. Waren unter denselben solche, welche über den
Vorgang nichts wufsten, so wurden damals andre Nachbarn an der Stelle solcher zur Jury hinzugezogen und die
ersteren entlassen, dies hiefs: afforcing the jury. So ergab sich denn auch die Berechtigung, sie für ein falsch
abzegebenes Verdikt, d. h. Zeuguis, zu bestrafen. Mit der vollständigen Einführung des modernen Systems fiel,
da die Würdigung des Beweismaterials nur Sache des Urteils ist, auch die Strafe der Ehrentziehung.
?) Es wurde früh üblich, dafs der Sheriff gleich die doppelte Zahl sandte, damit bei der normalen Zahl
von Recusationen die Zahl nicht zu gering würde, .
3) £5, gegen £ 2 für die Civiljary, war immer noch keiu hoher Census, da nach Kap. 29 ein yeoman
manchmal £ 100 hatte; ein Ritterlehn galt etwa £ 40. Übrigeus wird ein Unterschied der Vermögensqualification
zwischen der Civil- und der Strafjury sonst nirgendwo erwähnt.
4) Die Darstellung bricht hier ab, ohne dafs gesagt ist, wie nuu das eigentliche Verfahren im Criminal-
prozefs sei, obwohl die Angabe darüber in der Einleitung des Kapitels in Aussicht gestellt wird, — Auch
vermifst man in diesem Kapitel die Erwähnung der für das englische Verfahren so charakteristischen Anklage-
jury, welche in der Stärke von 12 bis 23 zusammentrat, und von deneu 12 Stimmen nötig waren, um „a true bill”
zu finden.