Full text: Sir John Fortescue: de Laudibus Legum Angliae: ein Gespräch aus dem 15. Jahrhundert über die Vorzüge des englischen Rechts

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Eine solche Ungeheuerlichkeit kann aus dem Verfahren nach‘ englischem Recht nie hervorgehn, 
ınd wäre der Böse selbst im-Spiel. Seid ihr nun nicht überzeugt, erlauchter Prinz, dafs, je 
mehr Einwände Ihr gegen das Recht Eures Landes erhebt, es desto herrlicher und liebens- 
werter erscheint? 
Kapitel XXXIH. 
Prinz. Ich sehe es, und erkenne aus dem angeführten Beispiel, dafs die Gesetze Englands 
ıllen anderen vorzuziehen sind. Dennoch habe ich gehört, dafs einige der Könige von‘ England, 
meine Ahnen, mit den bestehenden Gesetzen unzufrieden, bestrebt gewesen sind, die Civilgesetize 
mn England einzuführen und das überlieferte Recht zu ändern. Welche Absicht sie dabei gehabt 
haben, vermag ich nicht zu erkennen. 
Kapitel XXXIV. 
Ihr werdet Euch darüber nicht wundern, mein Prinz, sobald Ihr geruht, ernsthaft die 
Natur und den Anlafs dieses Versuchs zu erwägen. Ich habe Euch schon angedeutet, dafs sich 
im GCivilrecht ein sehr berühmter und wichtiger Ausspruch befindet, nämlich: Quod principi placuit, 
jegis habet vigorem. Die Gesetze Englands erkennen diesen Satz oder einen dem ähnlichen nicht 
an, denn der König dieses Landes herrscht nicht nur königlich, sondern verfassungsmäfsig, und 
äemnach verpflichtet er sich durch einen Eid bei seiner Krönung dazu, die Gesetze desselben zu 
beobachten, Hiermit nun sind einige englische Könige unzufrieden gewesen, und haben gemeint, 
dafs sie ihre Herrschaft nicht so frei ausübien, wie es die nur königlich regierenden Herrscher 
ihun, welche ihr Volk nach dem Civilrecht, insbesondere gemäfs jenem vorerwähnten Grundsatz 
beherrschen, also nach eignem Belieben die bestehenden Gesetze ändern, neue Gesetze geben, ihren 
Unterthanen Strafen und Lasten auferlegen, ja sogar, wenn sie wollen, nach eignem Gutdünken 
Jie Prozesse zwischen zwei Parteien entscheiden. Darum num waren Eure Vorfahren bestrebt, 
Jieses Joch der Verfassung abzuschütteln, und, sowie jene, nur königlich über ihre Unterthanen 
zu herrschen, oder, ‘ besser gesagt, nach Laune und Willkür zu schalten, ohne zu bedenken, dafs 
lie Macht beider Arten von Königen gleich ist, nur dafs es nicht ein Joch, sondern vielmehr eine 
Freiheit ist, ein Volk verfassungsmäfsig zu regieren, eine sehr grofse Sicherheit nicht nur für das 
Volk sondern auch für den König selbst, und eine nicht geringe Verminderung seiner Sorgen. 
Damit Ihr dies aber deuilicher erkennt, so betrachtet, mein Prinz, die Erfahrungen aus jeder der 
jeiden Regierungsweisen, und zwar wollen wir, als Beispiel einer nur königlichen Regierung, sehn, 
wie der König von Frankreich über seine Unterthanen herrscht; danach, wie dies der König von 
England thut. 
Kapitel XXXV. 
Erinnert Euch, mein erhabener Prinz, wie Ihr die Dörfer und Städte in Frankreich, dieses 
an Bodenerzeugnissen so reichen Landes, fandet, als Ihr in demselben umherreistet. Sie waren 
Jurch Kriegsleute des Königs und deren Pferde so überfüllt, dafs es Euch selbst in gröfseren 
Städten kaum möglich war, Unterkommen zu erhalten, und die Einwohner erzählten Euch, dafs 
jene Kriegsleute, auch wenn sie in demselben Ort einen oder zwei Monate hindurch lägen, nicht 
das Geringste für ihre Verpflegung bezahlten oder auch nur zu bezahlen sich erboten, vielmehr 
nötigten sie die Einwohner, wenn es diesen selbst an Wein, Fleisch oder andern Lebensmitteln 
gebrach, auf eigne Kosten aus den benachbarten Ortschaften kostspielige Nahrungsmittel herbei-
	        
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