Full text: Sir John Fortescue: de Laudibus Legum Angliae: ein Gespräch aus dem 15. Jahrhundert über die Vorzüge des englischen Rechts

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jesen die meisten Studenten rechtgelehrie Bücher; an Feiertagen nach dem Gottesdienste heilige 
und profane Geschichten. So können sie in diesen Innungen alles Gute und Schöne lernen, 
Laster jeder Art aber sind daselbst verpönt und verbannt. Auch Ritter, Barone und selbst Lords 
von höchstem Range schicken ihre Söhne oft hierher, nicht um Rechtsgelehrie zu werden oder 
um durch Rechtskenntnis sich einen Lebensunterhalt zu verschaffen — denn sie sind reich genug — 
sondern damit sie gute Sitten lernen und vor jeder schlechten Gesellschaft bewahrt bleiben, 
Die Disziplin ist so ausgezeichnet, dafs man fast nie von Ausschreitungen oder Streitigkeiten hört, 
Die einzige Strafe gegen Vergehen ist Ausschlufs aus der Gemeinschaft; diese Strafe wird aber von 
allen mehr gefürchtet, als Kerker und Banden von Verbrechern. Denn wer einmal aus einer Innung 
ausgewiesen ist, findet in keiner andern Aufnahme. So ist beständig Eintracht, freundschaftlicher 
Verkehr und ungezwungene Unterhaltung. Die Art des Unterrichts will ich nicht genauer be- 
schreiben, er ist indessen vorzüglich. Ich möchte nur hervorheben, dafs weder in Orleans, wo 
kanonisches und Civilrecht gelehrt wird, und wohin Studenten aus allen Ländern zusammenkommen, 
noch in Angers, Caen oder irgend einer Universität Frankreichs aufser Paris so viele erwachsene 
Schüler sind wie in unseren Rechts-Innungen, obwohl hier nur Einheimische zugelassen werden. 
Kapitel L. 
Da Ihr aber zu wissen wünscht, mein Prinz, warum im englischen Recht die Grade eines 
Baccalaureus oder Doctor nicht erteilt werden, wie in den Universitäten im kanonischen und Civilrecht, 
so will ich Euch darauf hinweisen, dafs in den Rechtsinnungen zwar diese Grade nicht verliehen 
werden, wohl aber ein nicht weniger angesehener Titel oder Rang, nämlich der eines Sergeant-at-law. 
(Vgl. Chaucer C. T. Prol. 309.) Dies geschieht folgendermafsen: Der Präsident des Common Pleas- 
Gerichts pflegt auf den Rat und mit Zustimmung aller Richter, so oft es ihm angemessen erscheint, 
sieben bis acht der vorgeschrittensten und geeignetsten Rechtsbeflissnen (apprentices-at-law) aus- 
zuwählen und die Namen derselben dem Lord Kanzier des Königreichs schriftlich mitzuteilen. Dieser 
sendet kraft eines königlichen Befehls sogleich eine Aufforderung an die so Erwählten, wonach sie 
bei schwerer Strafe, die jedem in dem Schreiben angedroht wird, an einem bestimmten Tage sich 
dem Könige behufs Erlangung des Grades eines Sergeant-at-law vorzustellen haben. Wenn die 
Betreffenden an diesem Tage daselbst erscheinen, mufs jeder feierlich geloben, durch Schwur auf 
das heilige Evangelium, dafs er gewillt sei, an einem weiter bezeichneten Ort und Tag den Grad 
und Rang eines S. zu empfangen und dabei nach altem Brauch Geschenke in Gold zu machen. 
Die Einzelheiten der Verleihungszeremonie übergehe ich, bemerkenswert aber ist es, dafs die Er- 
wählten an dem betreffenden Tage ein grofses Fest mit einem feierlichen Mahl veranstalten, ähnlich 
einem Krönungsmahle, welches sieben Tage lang forigesetzt wird, und von den neuernannten S. 
darf keiner, in Anbetracht der besondern Veranlassung, weniger ausgeben als 1600 Schildthaler 
und darüber, so dafs die Ausgaben der acht Personen zusammen mehr als 3200 Mark betragen. 
Für mindestens £ 40 von dem Gelde eines jeden werden insbesondere goldne Ringe bezahlt; 
ich entsinne mich, dafs ich als S. eine Rechnung von £ 50 für Goldringe erhielt. Jeder S. 
giebt nämlich bei seiner Ernennung jedem bei dem Fest anwesenden Prinzen von Geblüt, Herzog 
und Erzbischof, ferner dem Lord Kanzler des Reichs und dem Schatzmeister je einen Ring im 
Werte von 26 s. 8 d; jedem Earl und Bischof, dem Geheimsiegelbewahrer, jedem der Präsidenten 
der beiden Reichsgerichte, sowie dem Präsidenten des Schatzamtsgerichts einen solchen von 20 s.;
	        
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