Full text: Sir John Fortescue: de Laudibus Legum Angliae: ein Gespräch aus dem 15. Jahrhundert über die Vorzüge des englischen Rechts

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jühren hat, ein Geschenk annehmen will, er sei denn Speise und Trank von mäfsigem Preise. 
Auch müfst Ihr wissen, dafs ein so ernannter Richter bei der Übernahme seines Richteramts kein 
Mahl, kein Fest, noch irgend welchen Aufwand veranstaltet, denn er erreicht keine neue Stufe in 
der Rechtsgelehrtheit, vielmehr übernimmt er einen Dienst und eine Pflicht, die er zu erfüllen hat, 
so lange es dem Könige beliebt. Seine Tracht ändert er in einigen Punkten; ein Sergeant-at-law 
irägt einen Talar wie ein Priester, mit einem Pelzkragen um die Schultern und eine Kapuze mit 
zwei Quasten, so wie sie die Doktoren an den Universitäten tragen, ferner die Zeughaube; ist er 
aun Richter geworden, so trägt er an Stelle der Kapuze einen Überwurf, der an der rechten 
Schulter befestigt ist; seine übrige Kleidung behält er bei, nur dafs er nicht, wie vorher, einen 
gestreiften oder farbigen Rock tragen darf, und dafs ferner seine Pelzverbrämung teilweise aus 
Hermelin (minever, sibirisches Eichhorn mit dem Fell des kleinen Wiesels vermischt) besteht, 
während die des S. von weißsem Lammfell ist, eine Tracht, deren Verschönerung ich Euch ans 
Herz legen möchte, wenn Ihr König seid. Die Richter halten nicht länger als drei Stunden täglich 
Sitzung, von 8 bis 11 Uhr vormittags, am Nachmittag sind die Gerichtshöfe geschlossen; die Parteien 
ünden sich aber dann in dem Parvis (der Vorhalle der St. Paulskirche? Vgl. Ch. C. T. Pr. 310) ein, 
am mit ihren Sachwaltern und andern Personen zu beraten. Daher können die Richter, wenn 
sie ihre Mahlzeit eingenommen haben, sich den übrigen Tag mit Rechtsstudien, Bibellesen und 
anderen würdigen Unterhaltungen beschäftigen; es ist mehr ein beschauliches als ein thätiges Leben. 
Noch niemals aber ist ein Richter durch Geschenke oder Vorteile bestochen worden (?). Auch 
scheint es eine besondere Fügung des Himmels zu sein, dafs die Richter stets mit Leibeserben 
zesegnet sind; aus dem Richterstande und ihren Nachkommen sind mehr Lords und grofse Männer 
im Reiche hervorgegangen als aus irgend einem andern. Hat doch auch Gott durch seinen Pro- 
pheten verkündet: „Der Name der Gerechten soll gesegnet sein‘. So möget auch Ihr, mein Prinz, 
die Gerechtigkeit lieben, ebenso aber auch das Gesetz, das der Vater derselben ist. damit es auch 
von Euch einst heifse: Ihr Geschlecht wird bleiben ewiglich! 
Kapitel LIL 
Prinz. Es bleibt noch ein Punkt übrig, lieber Kanzler, über den ich Aufschlufs von Euch 
haben möchte. Man behauptet, dafs das englische Gerichtsverfahren grofse Verzögerungen im Rechts- 
ange zuläfst, mehr als das andrer Länder; dies ist nicht nur eine Hemmung der Gerechtigkeit, 
sondern bringt auch unerträgliche Kosten für die rechtsuchenden Parteien mit sich. 
Kapitel LUL 
Kanzler. In persönlichen Klagen, die nicht in Städten (Cities) oder Handelsplätzen erwachsen — 
Jenn in solchen bedingen die Gerechtsame der Bürger ein besondres Verfahren —, werden die 
Prozesse in regelmälfsiger Art erledigt; obwohl dabei auch Verzögerungen vorkommen, sind solche 
Joch nicht erheblich. In Städten und Handelsplätzen ist das Verfahren, wie auch in andern Ländern, 
sogar schnell, besonders wenn der Fall dringlich ist; andrerseits wird aber doch dabei auch das 
Verfahren nicht so überstürzt, wie es anderswo oft geschieht, wodurch die Parteien leicht zu 
Schaden kommen. — In Grundbesitz-Klagen dagegen ist freilich das Verfahren überall langsam 
aud schwerfällig, doch in England weniger als anderswo. In Frankreich sind vor dem obersten 
Parlamentshof einige Prozesse schon über 30 Jahre anhängig; ich selbst kenne dort einen Rechts- 
streit in der Berufungsinstanz. der jetzt schon 10 Jahre schwebt und voraussichtllch vor Ablauf
	        
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