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wiesen werden, das, ursprünglich feminin, da es meist nur Männern gegenüber benutzt wurde 1 ),
aber bald das männliche Geschlecht annahm und nach Art der (Neutra und) Mascuhna die
Plurale Hundsfötter, Hundsfütter entwickelte * 2 ).
Welche Tiernamen werden nicht als Schelte verwendet?
und welche Tiernamen werden nur in lobendem oder wenigstens in neutralem Sinne auf Menschen
übertragen? Diese Fragen drängen sich dem auf, der die obige umfangreiche Liste überblickt,
die freilich nicht nur Schimpfwörter im landläufigen Sinne des Wortes enthält. Zu solchen
Tieren gehört der Löwe nicht. Zwar sind allezeit Germanenfürsten gern mit dem Löwennamen
geehrt worden, so Otto d. Gr., den sein eigener Sohn, der nachmalige Kaiser Otto II. „mein
Löwe“ anredete 3 ), der Weifenherzog Heinrich, der sich den Beinamen des Löwen gern gefahen
ließ 4 ), Gustav Adolf, „der Löwe aus Mitternacht“ 5 ), andere sind gelegenthch dem Löwen ver
glichen worden, wie Rudolf von Habsburg 6 ), Friedrich d. Gr. 7 ), der Freiherr vom Stein 8 ).
Aber nicht nur, daß schon seit dem frühen Mittelalter bei den biblisch 9 ) beeinflußten Schrift
stellern der Löwe zugleich als das Symbol des Schreckens, des Zornes, der Grausamkeit auf
gefaßt wird 10 * ), neuerdings wird auch das Wort „Löwe“ seit dem zweiten Viertel des 19. Jahr
hunderts nach englischem Vorbilde mit deutlichem Spotte von „vorübergehender Berühmtheit“,
„Tagesgröße“, „Modeheld“ auf Menschen übertragen, nach Ladendorf 11 ) zuerst 1828 vom
Fürsten Pückler als „lion“ und noch in demselben Jahre von Heine als „Löwe“. 1842 folgte
Gutzkow mit „lionne“. Zuerst hat freilich dies fremdartige Gewächs dem Deutschen nicht
behagt, was man daraus erkennt, daß die Schriftsteller noch längere Zeit hindurch Anführungs
zeichen oder den französisch-englischen Ausdruck gebrauchen 12 ). Der modernen Studenten
sprache gehört endlich auch der Ausdruck „Forstlöwe“ an, der den Studierenden der Forst
akademie bezeichnet und nicht als Schmeichelname aufgefaßt werden kann, da er einmal
durch „Forstpolack“ vertreten wird 13 ). Auch dem Hirsch, dem „edlenHirsch“ 14 ), der besonders
den Nordgermanen das Ideal männlicher Kraft und Schnelligkeit, das Bild des alle Helden
überragenden Geliebten gewesen, ist es nicht viel besser ergangen, wenn er auch nicht, wie dem
Griechen, dem Deutschen zum Symbol der Feigheit geworden 15 ). Dies Schicksal ist, wenn auch
x ) In Grimmelshausens „Trutz Simplex“, in „Simplicianisehe Schriften“ I S. 91 kommt es auch
einmal einem Weibe gegenüber gebraucht vor. 2 ) Vgl. Weigand, D. W.-B. I (5. Aufl. 1909) unter „Hundsfott“.
In der Schweiz noch heute Hunds-fud masculin und feminin (Schweiz. I 682). Ich füge noch hinzu, erstens, daß
das Schimpfwort „Lork“ im Sinne von „schelmischer Mensch“ Männern gegenüber männlich, weiblichen Wesen
gegenüber weiblich gebraucht wird (Berghaus, Sprachschatz der Sassen II), und zweitens, daß das Wort „Balg“,
d. i. tierische Haut ursprünglich männlich, als Schelte gegen Frauen dann auch weiblich, als Schmeichelwort auch
neutral verwendet wird.
3 ) Ekkeh., Casus S. Galli 16,128, 131 u. 146. 4 ) Er errichtete 1166 vor seiner Burg Dankwarderodc
den Löwen, erbaute eine Stadt Lewenstatt und schrieb an den Dom zu Bardewik die bekannte Inschrift: Vestigia
leonis. 5 ) Opel und Cohn, Der dreißigjährige Krieg, S. 262 und 275. (1862.) 6 ) intrepidus ut leo (Böhmer, Fontes
113). 7 ) Der alte Löwe: Goethe an Herder 20. 6.1784 (Werke 4. Abt. 6, 309); der einsame Löwe in Sanssouci:
Diltkey, Das Erlebnis und die Dichtung, 2. Aufl. 1907, S. 33. 8 ) E. M. Arndt, Erinnerungen aus dem äußeren
Leben, S. 239, Wanderungen und Wandlungen, neunmal. 9 ) Der Löwe = Teufel: 1. Petr. 5, 8. 10 ) Die
vorstehenden Bibelworte wendet NotkerPfefferkorn auf Ruodmann an (Ekkeh., Casus X 93); gleichsam ein Löwe,
unersättlich in allen Lüsten: Greg, Tur. Hist. Franc. IV 16. u ) Hist. Schlagwörterbuch (1906) S. 197 f„ vgl. aber
dazu Feldmann in Z. f. D. Wortf. 9,290. 12 ) So wendet Hebbel in einem Brief e vom 25. Febr. 1846 das Wort „lion“
a,n (Werke, ed. Adolf Stern X 115). 13 ) Kluge, Stud., S. 91. 14 ) Vgl. Lembke, Z. f. d. d. Unterricht 12, 246,
l6 ) Übername Husch bei Socin, Mhd. Namenbuch, S. 407 und 455; die Göttinger „Finken“ hießen am Anfang