Full text: Tiernamen als Schimpfwörter

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Je weiter die Völkerkunde die Vorstellungen und Gebräuche der einzelnen Völker durch 
forscht hat, eine desto größere Übereinstimmung hat sich unter den Völkern der Erde ergeben. 
Geradezu handgreiflich ist das erwiesen worden durch die „ethnographischen Parallelen und 
Vergleiche“ Ii. Andrees (Stuttgart 1878 und N.F. Leipzig 1889). Als man die Masse der 
Sagen und Märchen sammelte und sichtete, fand man auch hier eine solche Ähnlichkeit, daß 
man mit Dähnhardt 1 ) von der „Einheit des mythischen Denkens“ aller Völker sprechen darf. 
Geht man noch weiter ins Besondere und untersucht das Verhältnis der Menschheit zur Tier 
welt, so scheint es, daß auch auf diesem Gebiete jene einmal überall denselben Standpunkt 
eingenommen und zwar etwa denselben, auf dem die sogenannten Naturvölker noch heute 
stehn, die bekanntlich keinen grundsätzlichen Unterschied machen zwischen Mensch und Tier, 
die von einzelnen Tiergattungen abzustammen glauben, ja z. T. sogar mit einem bestimmten 
Tier-Individuum in einem gewissen Kartellverhältnis zu stehn behaupten (Nagualismus) 2 ). Tote 
mismus 3 ) und der damit verwandte Glaube, daß menschliche Seelen in Tierleiber übergehn 4 ), 
Tierdienst und Tierheiligung 5 ) sind universale Erscheinungen. Ferner hat der Mensch einst 
wohl überall Tierorakel benutzt 6 ), und zwar ist der Glaube an die Unglück bringende Bedeutung 
der Eulen Gemeingut der Menschen 7 ), desgleichen die instinktive Abneigung gegen die 
Schlangen 8 ); dazu kommen die Ähnlichkeit in der Auffassung gewisser Tiergattungen — ich 
4 ) Beiträge z. vergleichenden Sagen- und Märchenforschung (Programm der Thomasschule in Leipzig 
1908) S. 54. 2 ) Darin gehen wohl heute noch am weitesten die Neger am Croßflusse in Kamerun nach A. Mans 
feld, Urwalddokumentc (Berlin 1898) S. 220—223. Den Totemismus auf die Spitze getreiben haben einst die 
Jaguartotems der peruanischen Indianer, vgl. Schäfer, Die Verwandlung der menschlichen Gestalt im Volksaber 
glauben (Darmstadt 1905) S. 56. 3 ) Bregenzer, Tierethik (Bamberg 1894) S. 36. 4 ) Lippert, Christen 
tum, Volksglaube und Volksbrauch (1882) S. 491. 5 ) Bregenzer a. a. 0. S. 10. 6 ) Hopf, Tierorakel 
und Orakeltiere (Stuttg. 1888) S. 2. 7 ) Hopf a. a. 0. S. 109. Für Altindien: Zimmer, Altindisches Leben 
S. 92, für China: Andree, Ethnogr. Parallelen S. 14, für die Neger: Schillings, Mit Blitzlicht und Büchse (Leipzig 
1907) S. 138, für die Dinka: H. Frobenius, Die Heidenneger des ägypt. Sudan S. 343, für die Ilocanen auf Luzon 
(christliche Malayen) Globus 48,186. Dem fränkischen Landvolk sind alle Eulen noch heute verhaßt: Gengier 
im Globus 93, 70. 
8 ) Lat. Sprichwort: odisse aeque atque angues. In der Edda, Lied von Skirnir 27, 3 u. 4 (Übersetzung 
von Gering S. 56) heißt es: 
jeder Mund voll Speise sei mehr dir verhaßt 
als die schillernde Schlange dem Menschengeschlecht. 
Auf den Ruf „Schlange!“ ergreifen alle Neger des Lagers den Stock, um das Tier zu töten (Wißmann, Unter 
deutscher Flagge quer durch Afrika, KI. Ausgabe, Berlin 1892, S. 120). Abscheu der Japanerinnen vor Schlangen, 
„Globus“ 32,122. Siehe auch unten S, 27.
	        
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