Full text: Grundriss der psychiatrischen Diagnostik

14 Anamnese. 
wusstlosigkeit eingetreten sind (Apoplexie), oder sich mehr 
schleichend, sogar in Stunden oder Tagen, entwickelt haben 
(Erweichung, Tumor), ob Krämpfe der Lähmung voraus 
gingen. 
Flüchtige Lähmungen lassen an Dementia paralytica und 
Lues ecrebri denken, bleibende mehr an Arteriosklerose mit Er 
weichungen im Gehirn. Hysterische Lähmungen sind beeinflussbar 
und abhängig von der Stimmung. Zeitweises Doppelsehen weist 
auf flüchtige Augenmuskellähmungen hin. , 
Bei Prägen nach Wahnideen ist immer zu bedenken, 
dass diese von den Angehörigen nicht notwendig als solche 
erkannt sein müssen. Manche Wahngebilde werden von 
ihnen als Tatsachen, ja als Ursachen der geistigen Störung- 
angesehen. 
Halluzinationen fallen Laien erst auf, wenn sie sehr leb 
haft werden, besonders die Gesichtstäuschungen der Alkohol'dcli- 
ranten, die Gehörs- und Geschmackstäuschungen (Vergiftungsideen) 
der Paranoiden, über die man ziemlich regelmässig Mitteilungen 
erhält. Monologe brauchen nicht durch Halluzinationen veranlasst 
zu sein. 
Verwirrtheit prägt sich aus in Ratlosigkeit: Der Kranke 
findet sicli nicht zurecht, verkennt Personen seiner Umgebung, 
führt unzusammenhängendc Reden, kann Fragen nicht sachgcmäss 
beantworten. (Hier kann Aphasie zugrunde liegen, S. 38!) 
E ixaeimg.s z u s t ii n d e können durch unzweckmässiges 
Verhalten der .Umgebung provoziert sein. Stets forsche man 
genau nach den Umständen, unter welchen sie auftraten, 
nach Dauer, Art ihres Abklingens, ob sie von Schlaf gefolgt 
wurden und mit Krämpfen in zeitlichem Zusammenhänge 
standen (Epilepsie), sich an Alkoholexzess angeschlossen i 
hatten (Möglichkeit des pathologischen Rausches). Praktisch 
ist es wichtig, ob der Kranke zu gewalttätigen Angriffen und 
zur Sachbeschädigung neigt. 
Ueber die bisherige Behandlung suche man sicli zu 
unterrichten. War der Tationt schon früher in Anstalten, kann 
man durch Einforderung der Krankenblättor wertvolle Aufschlüsse 
gewinnen, llaseher und günstiger Verlauf eines früheren Anfallos 
lässt die Prognose hoffnungsvoller erscheinen. Vor der eigenen 
Untersuchung eines neuen Kranken stelle man fest, ob derselbe 
differente Mittel erhalten hat, durch welche die vorhandenen Sym 
ptome beeinflusst sein können (Miosis nach Morphium, Mydriasis 
und gelegentlich Babinskisches Zeichen nach Scopolamin, Fehlen 
des Konjunktival- und Rachenreflexes nach Brom, Schläfrigkeit 
oder Benommenheit durch Narcotica usw.).
	        
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