Full text: Grundriss der psychiatrischen Diagnostik

Die Berührung der Haut darf nicht zu kurz erfolgen. Oft 
werden die Antworten bei Uebung besser. Man untersuche 
namentlich den Temperatursinn an den distalen Enden der Ex 
tremitäten. Bei Aufhebung der Empfindung an den Fingern 
finden sich daselbst manchmal alte Brandblasen. 
Dissoziation der Gefühlsempfindung besteht bei 
Syringomyelie (Ilöhlenbildung in der grauen Substanz des 
Rückenmarks), indem nur das Tastgefühl erhalten bleibt, 
Schmerz und Temperatursinn aber ausgefallen sind. 
d) Ortssinn ist das Vermögen, Berührungen der Haut 
mit Pinsel, Nadel usw. zu lokalisieren und ferner, mehrere 
benachbarte Reize getrennt zu empfinden. 
Man lasse sich die Stelle jeder Berührung mit dem Finger 
zeigen. Man setze zwei Nadelspitzen in wechselndem Abstande 
gleichzeitig’ nebeneinander auf und frage, wieviel Spitzen gefühlt 
werden (hier spricht man auch von Raumsinn). Beide Fähig- 
keiten sind an verschiedenen Körperstellen sehr ungleich ent 
wickelt. Statt zwei Nadeln benutzt man praktischer einen Zirkel 
mit Gradeinteilung. 
Dyschirie ist die Unfähigkeit, trotz erhaltenem Tastgefühl 
und Ortssinn zu unterscheiden, ob der Reiz rechts oder links eih- 
gewirkt hat (Hysterie). Auch bei Dem. senilis und arteriosclerotica 
kann Orientierung nach rechts und links gestört oder das optische 
Bild vom eigenen Körper überhaupt verloren gegangen sein. (Ver 
gleiche Agnosie S. 42.) 
2. T i e f e n s e n s i b i 1 i t ä t. 
Bei der Tiefensensibilität unterscheidet man Lage 
gefühl , Vibrationsgefühl, Kraftsinn oder Drucksinn, stereo- 
gnostischen Sinn. 
a) Lagegefühl bedeutet die Empfindung für die augen 
blickliche Lage aller Körperteile. Diese ist gestört, wenn 
der Patient bei geschlossenen Augen nicht anzugeben ver 
mag, welche passiven Bewegungen und Stellungsänderungen 
man an seinen Fingern, seiner Hand, seinem Fuss usw. 
vornimmt. 
Ist nur eine Körperseite betroffen, alnnt der Patient zweck 
mässig mit dem entsprechenden Glicde der gesunden Seite die 
passiven Stellungsänderungen direkt nach. Der Untersucher um 
fasse das zu bewegende Glied jedesmal mit mehreren Fingern und 
übe von allen Seiten einen möglichst gleichmässigen Druck aus. 
b) Vibrationsgefühl: Wird eine schwingende Stimmgabel 
auf einen dicht unter der Haut liegenden Knochen aufgesetzt, so 
ruft sie normalerweise ein summendes Gefühl in Periost und
	        
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