Full text: Grundriss der psychiatrischen Diagnostik

Stimmung und Affekte. 
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a) Depression. 
Traurige Stimmung (Dysthymie) pflegt sich auszu- 
drttcken durch starre Gesichtszüge, gefaltete Stirn, glanz 
losen, verschleierten Blick, herabhängende Mundwinkel, zu 
sammengepresste Lippen. Die Körperhaltung ist starr, 
statuenhaft. Die seltenen Bewegungen geschehen langsam, 
zögernd, gehemmt. Die Sprache ist leise, tonlos. Schweig 
samkeit, Neigung zum Weinen, Seufzen oder Jammern ver 
vollständigen das Bild. 
Angst äussert sich in starr und weit aufgerissenen 
oder unruhig umherrollenden Augen. Der Kranke beisst 
sich auf die Lippen, reibt die Hände aneinander, zerpflückt, 
was ihm in die Hände gerät, kaut seine Nägel, wiegt den 
Oberkörper hin und her oder tritt unruhig von einem Bein 
auf das andere, stöhnt, seufzt, rauft sich die Haare. Der 
eine rührt sich kaum vom Fleck, erscheint förmlich zur 
Salzsäule erstarrt, bringt keinen Ton hervor: Aengstliche 
Hemmung. Der andere läuft laut jammernd umher, wälzt 
sich am Boden, klammert sich hilfeheischend an seine Um 
gebung an: Angsterregung. Oft sind körperliche Be 
schwerden mit der Angst verbunden, wie Beklemmungs- 
gefiihl (Oppression), Druck in der Herzgegend und Herz 
klopfen (Präkordialangst), jagender Puls, Trockenheit im 
Munde, Schweissausbruch. Die Pupillen sind meist weit. 
Mit Traurigkeit und Angst vereinigt sich vielfach Ent 
schlusslosigkeit: Unfähigkeit, sich zu irgendeiner Handlung 
aufzuraffen, oder ein planloses Hin und Her sich durchkreuzender 
Massnahmen. (Vgl. auch Aboulie auf Seite 76.) 
Seltener sind plötzliche Verzweiflungsausbriiche mit 
Gewalttätigkeit: Raptus. Lebensüberdruss kann stets zu 
Selbstmordversuchen führen. — Anhaltende Depression ist 
charakteristisch für Melancholie; bei anderen Psychosen 
tritt sie mehr episodisch auf. 
Reizbares, vorwurfsvolles Wesen gegen die Umgebung 
kann sich gelegentlich mit Depression verbinden, häufiger mit 
Zuständen von Exaltation, wo es zur Zommütigkeit führt. 
Dauernde Reizbarkeit findet sich ausser in Psychosen vor allem 
bei nervösen Schwächezuständen, bei Epilepsie, Hysterie, Neu 
rasthenie. 
Misstrauen kann mit Angst einhergehen, beruht in 
der Regel auf Verfolgungswahn (siehe S. 103). Statt der 
Niedergeschlagenheit der Depression besteht mehr ein selbst-
	        
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