Diese Ausübung wurde für sie selbst und für ihre Nach
kommen ein Fluch und diese Vergünstigung war für sie wie
ein unter einer Decke glimmendes Feuer, das beim geringsten
Luftzug hell auflodert. Wenn sie Geld genug erwuchert hatten,
wurde eine kleine Vertreibung in Scene gesetzt, ihr Hab und
Gut confiscirt, und wenn sie mit dein Leben davon kamen,
konnten sie sich das Recht erkaufen, in die alte Heimath zurück
zukehren, um bei der ersten besten Gelegenheit wieder vertrieben
zu werden.*)
Solche Scenen wiederholten sich nicht blos in Breslau,
die waren auch anderswo gang und gäbe, und man vergaß zu
schnell, daß die Juden zu diesem schändlichen Handwerk getrieben
wurden, uub daß ihnen überhaupt kein anderer Erwerb übrig
blieb. Schon im Jahre 1302 wurden sie im Handel beschränkt:
sie durften kein Gewand mit der Elle verschneiden;
der Tuchausschnitt wurde allen verboten, welche keine Kammer
in: Kaufhause hatteil — natürlich hatten die Juden keine
— auch Fleisch durften sie au Christen nicht verkaufen, aber
Steuern zahlen durften sie, und recht viele, sogar die Gemeinde-
dienste, zu denen sie nicht zugelassen ivurden, urußten sic durch
Geld ablösen; ebenso wurden sie vom Militärstande ausgeschlossen,
aber Rekrutensteuern wurden von ihnen erhoben.
Schlesien war unterdessen in den erblichen Besitz des böh-
mischen Königs Johann übergegangen, und seine erste Kund
gebung gegen die Juden von Breslau war, daß er zur Er
bauung der Stadtmauer eine zehn Jahre hindurch zu entrichtende
Steuer von sechzig Mark**) nach dainaligeiir Gelde auferlegte,
welches schon ein ziemliches Sümmchen repräsentirte. Das war
im Jahre 1341, und vier Jahre später befahl er zu demselben
Zweck, sämmtliche Steine des jüdischen Kirchhofs ausgraben nnb
wegführen zu lassen, selbst die frischen Gräber wurden nicht ge
schont. Man brauchte 50 Leute 9 Tage lang, um die Steine
an Ort nnb Stelle zu bringen.***)
*) Montesquieu, Esprit des lois,
**) Eine Mark Silber war soviel, als 23 Mark jetziger Währung.
***) Nach Tschoppe und Stenzel, Urkundenbuch.