Full text: Zeitbilder aus der Geschichte der Juden in Breslau

2. 
Dirneve Juslnnöe. 
Wenn das bisher Mitgetheilte auch mehr wie eine Chronik 
von Unterdriicknngen und grausamen Verfolgungen klingt, dürfen 
wir doch keinesmeges annehmen, daß das Leben der damaligen 
Juden ganz ohne Freuden gewesen sei. An ihre Beschränkungen 
werden sie sich wohl mit der Zeit gewöhnt haben, wie sich 
ihre christliche Umgebung, trotz ihrer Eigenheiten an sie gewöhnt 
haben wird. Ja, es ist sogar anzunehmen, daß sich im Lause der 
Zeit, wenn auch nur ausnahmsweise, hier und dort zwischen 
Jud' und Christ freundschaftliche Verhältnisse entwickelt haben, 
denn wenn das Volk, das sich gar zu gerne leiten läßt, nicht 
politisch oder religiös sanatisirt wird, dann ist es froh, wenn 
es sein Brot in Frieden verzehren kann. 
Auch waren ihre Vermögensverhältnisse dazu angethan, 
ihnen allerhand Annehmlichkeiten zu verschaffen, und sie wurden 
oft von den hochstehendsten christlichen Kreisen, ja sogar von 
der Geistlichkeit, wenn sie in Verlegenheit waren, umworben 
lind mit den verschiedensten Liebenswürdigkeiten umgeben, so 
lange man sie brauchte. Viele vornehme Käufer ließen ihre 
Geschäfte ilur durch Juden besorgen, intb die Hofjuden spielten 
keine kleine Rolle. Manche der gegen sie gerichteten Gesetze 
wurden voll Zeit zu Zeit stillschweigend übergangen; sie durften 
wieder einmal christliche Ammen unb Diener halten, es wurde in 
christlichen Schlachthäusern für sie geschlachtet, sie durften in
	        
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