Full text: Zeitbilder aus der Geschichte der Juden in Breslau

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des Judenthums, wenn nicht der ganzen Welt befürchteten. - 
Es galt schon für ein großes Verbrechen ein deutsches Buch 
zu lesen, sogar wenn dieses Buch die Bibel war, und Mendels 
sohn, der Urheber dieser Schandthaten, wurde für seine Ueber- 
setzung, wie ein zweiter Elisa ben Abuja, in den Bann gethan. 
Aber der Stein war in's Rolleil gekommen und die Breslauer 
jüdische Jngelld gab sich ungehindert einer Strömung hin, die 
belebend ans sie wirkte, und, beseelt vom Geiste der Humanität, 
waren mehrere junge Männer an: 16. April 1780 zusammen 
getreten, um eine Brüderschaft zu gründen, die es sich zur 
Aufgabe »rächte — „die Verbesserung und Hebung , des Er 
ziehungswesens und die Verbreitung von Aufklärung und 
Kenntnissen ilirter den Genossen arrzustreben" — es waren die 
Gründer der noch heut segensreich wirkenden Gesellschaft der 
Brüder, deren Bestrebungen vom größten Einfluß auf die Ent- 
wickelrurg der hiesigen Gemeinde waren. An ihrer Spitze 
stand Letvin Benjamin Dohm, und ein anderer dieser Gründer 
war der rühmlichst bekannte Dr. Elias Henschel, den ich ganz 
besonders anführe, um zu zeigen, wie es noch damals mit 
unserer Bildung bestellt war und auf lvelchen lästigen Wegeil 
sie erlangt werden mußte. 
Er war der Sohn armer, braver, redlicher Leute und ist 
im Jahre 1755 Hierselbst geboren. 
„Die Finsterniß der damaligen Zeit," erzählt sein Biograph 
Dr. Davidsohn, „war in seinem väterlichen Hause noch durch 
keinen Lichtstrahl erhellt. Das Leben war streng nach dein 
rabbinischen Gesetz geordnet und diese Strenge ging so weit, 
daß schoil das Lernen und Verstehen einer anderen Sprache, 
als der heiligen des alten Testaments, für fund lieh erachtet 
wurde. Heimlich auf einer Bodenkammer lernte der aufgeweckte 
Knabe die deutschen Schriftzeichen nnb jedes Maknlaturblatt 
mußte ihm zur Leseübuilg herhalten. Gailz im Geheimen 
studirte er als Haildlungsdiener weiter lind arbeitete in ben 
späten Abendstunden bis tief in die Nacht hinein. — Sein Bett 
war zugleich seine Bibliothek nnb glich mehr einer Arbeits- 
als einer Ruhestätte. Später nahm er die Stellung als Be
	        
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