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dienter beim Hospitalarzt 0r. Marburg an, weil ihm im Hinter
gründe die frohe Aussicht winkte, durch Fleiß und Anstrengung
etwas mehr als ein Trödler werden zu können. Von den vier
Thalern Lohn, die er monatlich erhielt und für welche er auch
seine Kost bestreiten mußte, erübrigte er nichtsdestoweniger so
viel, daß er für wöchentlich zehn Silbergroschen einen Sekun
daner zum Lehrer der lateinischen Sprache gewinnen konnte.
Keine Entbehrung, keine Widerwärtigkeit schreckte den Jüngling,
ivo es sein Studium galt.
Endlich, im Jahre 1785, wurde ihm durch die warme Em
pfehlung seiner christlichen Lehrer von mehreren wohlthätigen
Glaubensgenossen eine jährliche Unterstützung von 200 Thalern
auf zwei Jahre zugesichert. Großes Aufsehen erregte damals
in Breslau das glänzende Geleit, das seine Kommilitonen und
die Schüler der Anatomie dem ehemaligen Handlungsdiener zum
Beweise ihrer Liebe und Dankbarkeit gaben, als er die Hallenser
Universität bezog. 1787 kam er als promovirter Arzt zurück,
arm an Geld, aber reich an Wissen und Thatkraft und mit einem
Herzen voll Liebe für die Menschen. Er widmete sich mit Hin
gebung nicht bloß seinem Beruf, sondern der Wohlfahrt seiner
Glaubensgenossen und trug viel zur Hebung ihrer Stellung bei."*)
Wie wir aus dem Vorstehenden ersehen, müssen sich die
extremen Meinungen in der Stadt sehr gemildert haben, so daß
Jud' und Christ friedlich neben einander hergingen und, wir
registriren mit besonderer Freude, daß, als Friedrich Wilhelm II.
am 11. October 1786 seinen Einzug in Breslau hielt, er nicht
blos vom Magistrat und von den verschiedenen Zünften, sondern
auch unter anderen von der Judenschaft theils zu Fuß, theils
zu Pferde eingeholt worden war.
*) Aus Braun, Gesch. d. Gesellsch. d. Brüder, der ich auch alle
auf diese Gesellschaft bezügliche Notizen verdanke.