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Wohnung meist unmittelbar an den Betstuben grenzte. Aber
schon in der Mitte des vorigen Jahrhunderts war der Schammes,
aus welchem sich nach und nach der Ober-Wchammes entwickelte,
nicht mehr der Diener, sondern der Herr und Vorsteher seiner
Gemeinde und nahm später ben wohlklingenden Titel eines
Spndicus an.*) Ein solcher Syndikus war auch Lewin Ben
jamin Dohm.
Breslau hatte Ursache mit seinen jüdischen Einwohnern
zufrieden zu sein und seine Bevorzugung der polnischen Juden
ivar auch nicht ohne Grund, denn die durch dieselben bewirkte
Ausfuhr inländischer Erzeugnisse hatte in einem Jahre den an
sehnlichen Werth von einer halben Million Thalern überstiegen.**)
Man fing an mit den Juden zu rechnen, wie mit ver-
nünstigen und brauchbaren Menschen und beschäftigte sich allent
halben mit ihnen. Schon im Jahre 1781 war das Toleranz
edikt Kaiser Joseph II. zu ihren Gunsten erschienen, welches
Klopstock zu den begeisterten Worten hinriß:
Du lösest ihnen, Retter, die rostige
Engangelegte Fessel vom wunden Arm,
Sie fühlen's, glauben's kaum. So lange
Hat's um die Elenden hergeklirrt.
In demselben Jahre war die Denkschrift des Kriegsraths
Dohm „über die bürgerliche Verbesserung der Juden" erschienen,
die allgemeines Aufsehen erregte. In Frankreich hatte Mira
beau seine Donnerstimme für sie erhoben und hier hat der
Kammer-Kalkulator Zimmermann eine „Geschichte und Ver
fassung der Juden im Herzogthum Schlesien" geschrieben.
Am 21. Mai 1790***) erschien ein aus 27 Paragraphen be
stehender Erlaß, wie es mit dem Judenwesen in Breslau ge
halten werden soll, wovon wir nur die Einleitung mittheilen
wollen:
*) Braun.
**) Zimmermanu.
***) In demselben Jahre starb hier der hiergeborene Dichter Ernannel
Kuh. Er war nach dem Minnesänger Siißkind der erste Jude der deutsch
dichtete.