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An 6er Schwelle 6er neuen Zeit.
llo sah es vor hundert Jahren in Breslau aus. Wenn
vielleicht auch äußerlich kein großer Unterschied mehr zwischen
den damaligen und jetzigen Einwohnern der Stadt gewesen sein
mag, so eristirte innerlich noch eine sehr tiefe Kluft. Die armen
Juden hörten immer noch auf Schritt und Tritt die Fesseln
der Beschränkungen hinter sich klirren. Hören wir sie heut,
nach hundert Jahren nicht mehr? Und wenn damals auch nur
das einzige, so tief in das Familienleben einschneidende und
jede Elternfreude erstickende, grausame Gesetz bezüglich ihrer
Kinder eristirte, es wäre genug um ihr Leben zu verbittern,
aber sie nahmen alles dankend an, indem sie auf ihre traurige
Vergangenheit zurückblickten und hofften weiter.
Ihre Lage verfehlte nie, hier und dort, wenn auch nur
vereinzelt, Mitleid zu erregen und einzelne hervorragende
Menschenfreunde nahmen sich ihrer vorurtheilsfrei und mit Liebe
an. So fanden sie auch in Breslau in dem dirigirenden Minister,
Graf Hoym, einen wahren Freund in der Noth. Ich habe
eine alte jüdische Dame gekannt, die ihn persönlich kannte: sie
wußte so viel Gutes von ihm zu erzählen, und ihr stiegen
immer Thränen der Rührung in die Augen, wenn sie von dem
guten, humanen Grafen sprach. Und er hat in der That die
ihm gezollte Liebe und Verehrung verdient, denn seiner Jnitia-