Full text: Zeitbilder aus der Geschichte der Juden in Breslau

11. 
An 6er Schwelle 6er neuen Zeit. 
llo sah es vor hundert Jahren in Breslau aus. Wenn 
vielleicht auch äußerlich kein großer Unterschied mehr zwischen 
den damaligen und jetzigen Einwohnern der Stadt gewesen sein 
mag, so eristirte innerlich noch eine sehr tiefe Kluft. Die armen 
Juden hörten immer noch auf Schritt und Tritt die Fesseln 
der Beschränkungen hinter sich klirren. Hören wir sie heut, 
nach hundert Jahren nicht mehr? Und wenn damals auch nur 
das einzige, so tief in das Familienleben einschneidende und 
jede Elternfreude erstickende, grausame Gesetz bezüglich ihrer 
Kinder eristirte, es wäre genug um ihr Leben zu verbittern, 
aber sie nahmen alles dankend an, indem sie auf ihre traurige 
Vergangenheit zurückblickten und hofften weiter. 
Ihre Lage verfehlte nie, hier und dort, wenn auch nur 
vereinzelt, Mitleid zu erregen und einzelne hervorragende 
Menschenfreunde nahmen sich ihrer vorurtheilsfrei und mit Liebe 
an. So fanden sie auch in Breslau in dem dirigirenden Minister, 
Graf Hoym, einen wahren Freund in der Noth. Ich habe 
eine alte jüdische Dame gekannt, die ihn persönlich kannte: sie 
wußte so viel Gutes von ihm zu erzählen, und ihr stiegen 
immer Thränen der Rührung in die Augen, wenn sie von dem 
guten, humanen Grafen sprach. Und er hat in der That die 
ihm gezollte Liebe und Verehrung verdient, denn seiner Jnitia-
	        
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