Full text: Die Frauen und das politische Leben

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Mittel gäbe^ den Einfluß und die Erfahrung der Durchschnitts 
frau der Nation zur Geltung zu bringen." 
In der Tat muß diese Betonung der Differenz der Ge 
schlechter heute ganz an die Stelle der Naturrechtstheorieen 
treten, mit denen man im ersten Stadium der Bewegung das 
Recht der Frau auf volle Vertretung im Staat stützte. Bei 
uns wenigstens zieht sein Pathos nicht mehr. Die Declaration 
des droits de la femme, die amerikanische Declaration of 
sentiments, die auf diesem „Menschenrecht" der Frau fußen 
und den bewußten bösen Willen des Mannes für die Unter 
drückung der Frau verantwortlich machen, haben nicht mehr 
mitzusprechen in einem Staatsleben, das man als einen 
Organismus anzusehen gelernt hat. Aber eben aus dieser 
Anschauung erwächst der Frau jene neue, weit wirksamere Be 
gründung ihres Rechts: ihre Ausschließung vom öffentlichen 
Leben schaltet Gesichtspunkte und Fähigkeiten aus, die schlechter 
dings von niemand anders zu ersetzen sind. 
Und die nicht entbehrt werden können, wenn unser politisches 
Ideal ein Staatswesen ist, in dem jedes Kulturinteresse mit- 
bestimmend werden soll. In der Kölnischen Zeitung hat vor 
einigen Jahren einmal der Historiker Lamprecht ausgeführt, die 
Aufgabe unserer Zeit sei nicht eine weitere Demokratisierung 
des Wahlrechts, sondern eine innere Politisierung der Gesell 
schaft durch Erziehung der überpersönlichen, auf die Gemeinschaft 
gerichteten Interessen. Er würde wohl aus diesem Grunde 
den Gedanken an das Frauenwahlrecht in irgendeiner Form 
weit von sich weisen, aber damit einverstanden sein, daß auch 
die Frauen dazu erzogen werden, Gemeinschaftsinteressen zu 
pflegen und Gemeinschaftsaufgaben in Angriff zu nehmen, 
damit sie ihrerseits als Mütter und Erzieherinnen, aber auch 
als soziale Arbeiterinnen an der Verstärkung des nationalen 
Pflichtbewußtseins — jener lebendigen Seele, die den Volks 
körper erfüllen muß, wenn er nicht faulen soll — mitarbeiten. 
Wir Frauen aber behaupten, daß das eine ohne das andere 
nicht möglich ist. Wenn das Interesse der Frauen in der Tat 
sich heute Glicht mehr in der Familie und den Angelegen-
	        
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