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54. DER KAMELREITER UND DIE SCHLANGE
in Kamelreiter war auf seiner Reise an einen Ort
gekommen, wo eine Karawane gerastet und ein
Feuer angezündet hatte. Nach ihrer Abreise hatte
-*■—" der Wind das Feuer angefacht und die Funken
hatten alles Gestrüpp und Reisig in der Wüste in Brand
gesetzt. Mitten darin lag eine großeSchlange. Die Flammen
hatten sie ganz eingeschlossen, daß sie nirgends hinaus
konnte. Wohin sie auch schaute, nirgends sah sie einen
Weg der Rettung und beinahe wäre sie von dem Feuer wie
ein Fisch in der Pfanne gebraten. Als sie den Reiter sah,
bat und flehte sie ihn an, sie zu befreien.
Der Reiter war ein barmherziger Mann. Als er den Hilfe
ruf der Schlange hörte und ihre Not sah, sagte er zu sich:
„Die Schlange ist zwar ein giftiges Tier und ein böser
Feind, aber da sie jetzt in Not ist, wäre es doch wohl an
gebracht, Mitleid mit ihr zu haben. Das Beste ist es, daß
ich sie jetzt aus diesem Strudel ziehe und den Samen eines
guten Werkes, der in dieser Welt Glück und in der zu
künftigen Segen als Früchte tragen wird, pflanze.“ Er
nahm also den Ledersack, den er bei sich trug, band ihn
an die Spitze seiner Lanze und hielt ihn der Schlange hin.
Die Schlange legte sich hinein und der Reiter, im Glauben,
ein gutes Werk zu tun, zog sie aus dem Feuer heraus.
Nachdem er sie aus dem Sack hatte herauskriechen lassen,
richtete er einige ermahnende Worte an sie und sagte:
„Du weißt, aus einer wie großen Gefahr du befreit bist.
So ist es nötig, daß du aus Dankbarkeit über diese Gnade
dich jetzt in einen Winkel zurückziehst und hinfort kein
Unrecht mehr tust, denn wer den Geschöpfen Gottes
Übles zufügt, ist in dieser Welt übelberüchtigt und in der
anderen unglücklich und hat keinen Anspruch auf die
Barmherzigkeit Gottes und auf die Liebe der Menschen.“
Die Schlange antwortete: „Reiter, laß solche Worte. Ich
will nicht von hier gehen, ehe ich dicht nicht gebissen
habe.“ Der Reiter erwiderte: „Was ist das für eine un