Full text: Die Graslage in ihrer Beziehung zum Christenthum

über seine vermeintliche Treue und Gottes Untreue, über das 
herbe Leid, welches ihn im Dienste Gottes betroffen, ruhig 
anhört lind ihm dann über das Wesen des Grals Belehrung 
ertheilt. Vor allem müsse er wissen, daß die Ehre, Gralkönig 
zu sein, nicht durch Heldenthaten erworben, sondern nur durch 
Gottes freie Gnade erlangt werden könne. Wer dieses höchste 
Gut erreichen wolle, der müsse sich daher von allem Hoch 
muthe abkehren und der Demuth sein Herz zuwenden. Par- 
cival bleibt nun fünfzehn Tage fastend und betend bei dem 
Einsiedler, während welcher Zeit seine innere Reinigung lind 
Umkehr vor sich geht. Er erkennt seine Unwürdigkeit und 
Gottes Gnade : ein Zweifel nach dem andern verschwindet, 
und endlich bricht durch das Dunkel, welches sein Herz um 
lagerte, die helle Sonne des Glaubens mit siegender Kraft! 
So ist der Held innerlich zubereitet; äußerlich soll er sich 
noch bewähren. Auf dem Wege zum Gral lockt ihn ein 
Zauberschloß, ivelches alle Pracht des weltlichen Ritterthums 
in sich vereinigt. Parcival aber wendet den Blick von ihnl 
ab; fest schreitet er dein hohen Ziele entgegen und gelangt 
nach siegreich bestandenen Kämpfen zur Gralbnrg, wo er 
durch sein Kommen und Fragen Krankheit in Gesundheit »nd 
Traurigkeit in Freude lind Jubel verkehrt. Bald wird er 
auch wieder mit seiner Gemahlin und mit seinen zwei Söhnen 
vereinigt. So zeigt uns das Ende der Sage den Helden im 
vollen Besitze von irdischem Glück und himmlischer Seligkeit. 
Fragen wir nun, in welcher Beziehung die Lebensgeschichte 
unseres Helden zum Christenthume stehe, so giebt uns der Dich 
ter des Parcival — Wolfram von Eschenbach - - selbst die Ant- 
wort. Er überschreibt die drei Lebensabschnitte desselben und 
nennt den ersten die Zeit der Einfalt, den zweiten die Zeit 
des Zweifels »nd den dritten die Zeit des Heiles. Indem er 
seinen Helden durch diese drei Entwicklungszeiten führt, be 
leuchtet er zugleich auch den Weg, auf dem in der That 
viele Menschen zu dem in Christo gegebenen Heile gelangen.
	        
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