Full text: Allgemeine Moralphilosophie. (01)

108 1. Teil. 2. Buch. 1. Kap. Das höchste und letzte Ziel des Menschen. 
mehr untergeordnet ist. Derselbe heißt auch Endzweck, weil er das Ende 
des Strebens bildet.. 
Der Endzweck kann schlechthin oder bloß beziehungsweise 
der letzte Zweck sein. Der schlechthin letzte Zweck ist derjenige, 
auf den alle andern Zwecke abzielen, und der selbst keinem höheren 
Zwecke mehr untergeordnet ist; der b e z i e h u n g s w e i s e l e tz t e Zweck 
ist bloß in einer bestimmten Reihe von Handlungen der letzte, aber nicht 
schlechthin. So ist die Gesundheit der letzte Zweck der Arzneikunde; sie 
selbst ist aber wieder höheren Zwecken untergeordnet. In der von uns 
aufgestellten Behauptung handelt es sich um den schlechthin letzten Zweck, 
dem nach Gottes Absicht alle andern Zwecke untergeordnet sein sollen. 
2. Die Verherrlichung eines Wesens im eigentlichen und 
strengen (subjektiven) Sinne besteht in der Hochschätzung, Anerkennung 
und Huldigung, die ihm zuteil wird. In diesem eigentlichen Sinne kann 
Gott nur von den Vernunftwesen verherrlicht werden, weil nur sie 
allein ihn zu erkennen und ihm zu huldigen vermögen. Im weiteren 
(objektiven) Sinne aber wird Gott von allen Geschöpfen verherrlicht, 
insofern sie durch ihre Güte, Schönheit und Vollkommenheit Zeugnis 
ablegen von ihres Schöpfers Weisheit und Macht und so den nächsten 
Grund zu seiner Verherrlichung im eigentlichen Sinne legen. In 
diesem Sinne erzählen die Himmel Gottes Herrlichkeit, und die Werke 
seiner Hände verkündet das Firmament (Ps. 18, 1). 
II. Begründung. Die Geschöpfe haben keinen andern letzten 
Zweck als denjenigen, um dessentwillen sie Gott aus dem Nichts ins 
Dasein rief. Dieser Zweck kann nur Gott selbst sein. 
1. Es widerspricht der unendlichen Vollkommenheit Gottes, daß er 
in seinem Wollen von einem außer ihm liegenden Dinge abhängig sei. 
Das wäre aber der Fall, wenn ein außer ihm liegendes Gut den letzten 
Zweck seines Wollens bildete. Denn der letzte Zweck ist der eigentliche 
Grund, der den Willen in Bewegung setzt oder um dessentwillen er in 
Tätigkeit tritt. Das Bewegte ist aber von seinem Beweger abhängig, 
wie die Wirkung von der Ursache. 
2. Wäre Gott nicht das letzte Ziel aller Dinge, so wäre er auch nicht 
ihr höchster, unumschränkter Herr. Jeder ist nur Herr über dasjenige, 
was zu seinem Nutzen oder Dienst bestimmt ist. Ist eine Sache für 
einen andern vorhanden und nicht für mich, so steht diesem andern 
das oberste Verfügungsrecht zu. Gäbe es also ein Ding, das nicht an 
letzter und höchster Stelle für Gott bestimmt wäre oder ihn zum letzten 
Zwecke hätte, fo wäre Gott auch nicht der höchste Herr darüber. Das 
widerspricht aber der unendlichen Vollkommenheit Gottes. 
3. Keine um ihrer selbst willen begehrenswerte, reine Vollkommen 
heit kann dem Unendlichen fehlen. Nun ist es aber gewiß eine reine,
	        
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